In Zeiten eines Ringens um die rechte Positionierung der Kirche in der Gesellschaft, um interne Strukturgestaltung und hierarchische Vormachtstellung ist sich die Kölner Gemeinde Höhenberg-Vingst ihres sozialräumlichen Auftrags frappierend gewiss. Wie sie ihren Auftrag zielstrebig und gemeinschaftlich buchstabiert und lebt, haben bereits die beiden Bücher "Ort Macht Heil" (2007) und "Von wegen nix zu machen" (2007) deutlich vor Augen geführt. Im vorliegenden Werk wird von den beiden Autoren Franz Meurer und Peter Otten in bemerkenswerter Weise das dahinterstehende "Geheimrezept" des pastoralen Erfolgs dieser Gemeinde Interessierten und Suchenden zur Verfügung gestellt. Diese Gemeinde bleibt nicht stehen beim Abschreiten des tradierten Modells von "Sehen - Urteilen - Handeln", sondern schließt den Kreis. Sie tritt spätestens im Akt der Umsetzung erneut in die Reflexion auf die Wurzeln des eigenen Daseins als Menschen und ChristInnen ein. Dass diese Reflexion vornehmlich den sozialen Raum, in dem sich die Menschen von Höhenberg-Vingst bewegen, fokussiert und dabei nichts in diesem Raum als zu profan oder banal für den christlichen Kontext betrachtet, macht die besondere Stärke aus. Die Fülle an Bezügen auf biblische Texte einerseits und die vielfältige Rezeption von AutorInnen (wie z. B. R. Sennet (59), J. Habermas (63) u. a.) andererseits, zeugt von einer beständigen Suche der Autoren nach einer tragfähigen Orientierung in Zeiten des Wandels und v. a. markanter sozialer Herausforderungen. Ohne jegliche institutionelle Hemmschwelle und unter dem Vorzeichen einer Inklusion, die überkonfessionell, interreligiös und milieuübergreifend Menschen mit ihren Freuden und Hoffnungen, ihrer Trauer und Angst begegnen will, werden hier Initiativen gesetzt, die das Leben sinnstiftend und lebenstragend zu gestalten trachten. Das oberste Programm ist es, das Miteinander im Viertel unter Einbeziehung der je eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten anzupacken. Dass es dafür auch charismatische Menschen braucht, die für die gemeinsame Ausrichtung einstehen und dahingehend begleiten, ist eher zwischen den Zeilen zu lesen. Es scheint die Strategie dieser Gemeinde zu sein, jenen Gehör zu verschaffen, denen sonst niemand zuhört bzw. jenen Ansehen zu ermöglichen, die ansonsten schlichtweg übersehen werden. So beinhaltet das vorliegende Buch neben Hinweisen auf verschiedenste IdeenstifterInnen auch zahlreiche schriftliche Stellungnahmen von Menschen, die sich von der Botschaft der Inklusion angesprochen wissen und als Involvierte eigeninitiativ tätig werden. Das vorliegende Buch lässt LeserInnen erfahren, wie inmitten eines Kontexts prekärer sozialer Lebenslagen - Arbeitslosigkeit, Analphabetismus, Jugend ohne Perspektiven, unvermittelte Multikulturalität usw. - im Blick auf jene, die im Viertel leben und dieses miteinander gestalten wollen, dennoch Fülle und Überfluss um sich greifen. "Wenn nicht hier, wo sonst?" regt an, Gemeinde neu zu sehen und bietet einen hilfreichen Zugang, um zu verstehen, was es bedeuten kann "Kirche in der Welt von heute" zu sein. Im eigenen Lebens- und Sozialumfeld aus pastoraler Perspektive alles so zu lassen wie es ist, fällt nach einer aufmerksamen Lektüre dieser Seiten schwerer denn je.
Personen: Meurer, Franz Otten, Peter
Meurer, Franz:
Wenn nicht hier, wo sonst? : Kirche gründlich anders / Franz Meurer ; Peter Otten. - Gütersloh : Gütersloher Verl.-Haus, 2011. - 192 S.
ISBN 978-3-579-06560-1 kart. : ca. € 15,50
Gemeindewachstum - Signatur: Pth Allg 6 Meu - Buch