die Antwort der Religionen und Weltanschauungen
Wozu das Leid? Wozu das Böse?
In diesem Band geht es nicht nur um eine Rand-, sondern um eine Grundfrage des Lebens auch in der Postmoderne: was Leid ist, ob es das Böse gibt, ob das Leid stets böse ist, woher sie kommen, warum es überhaupt das Leid gibt und wozu das Böse da ist. Es geht um "ein bleibend provozierendes Rätsel und ein nicht auflösbares Geheimnis", dahinter um die Frage nach dem Sinn des Lebens und der Geschichte, letztlich um die Frage nach Gott. Ziel der Vorträge sollte es sein, "die je eigene Sichtweise der einzelnen Religionen oder Weltanschauungen, wie sie das Leid und das Böse, die Ursachen und Wirkungen beurteilen, aus ihrer spezifischen Perspektive zu beschreiben und ihren jeweiligen Kerngedanken zu dieser Grunderfahrung des Menschseins authentisch herauszustellen". Kriterien zur Urteilsbildung könnten sein: Wird die ganze Realität menschlichen Lebens unverkürzt eingebracht? Wie wird mit den Schwachen und Sündern umgegangen? Welche Rolle spielt Gott? (7-11). Hiobs Fragen nach dem Leiden des Unschuldigen hat nichts von ihrer Aktualität eingebüßt (15). Befragt werden drei Religionen Asiens (die chinesische, der Hinduismus, der Buddhismus), zwei Stammesreligionen (afrikanische, indianische), die drei monotheistischen Religionen (Judentum, Christentum, Islam) sowie die Philosophie (Unlösbarkeit des Theodizeeproblems; Gefährlichkeit einer allzu optimistischen Sicht des Menschen), Weltanschauungen (New Age, Esoterik) und Kunst (Fragmentierung des Menschlichen bei Francis Bacon). Die Kompetenz der Referenten verbürgt Informationen weit über den Durchschnitt hinaus. Es gibt Konstanten: Leben heißt Leiden, zumindest auch Leiden, das Nachdenken darüber ist ein zweiter Schritt. Die Hoffnung auf Befreiung vom Leiden ist in allen Religionen, auch in solchen ohne menschenfreundlichen Gott. Sie kennen Maßnahmen zur Minimierung bis zur Überwindung. Und es gibt eine Buntheit von Unterschieden: Leiden und Böses ist da, dessen Sinn ist Strafe, Bewährung, Vergeltung, Test des Glaubens und Erziehung auf ihn hin. - Zum Woher: die Frage ist müßig, es gehe um das Wohin; die Quelle ist das Herz, sind eingeborene böse Kräfte; ist das Tun und Lassen des Menschen, ist seine Freiheit; ist die Verstrickung in Unwissenheit, Gier und Hass; sind Menschen, Hexen und böse Geister; ist ein Unheilszusammenhang; ist die Disharmonie in der grundlegenden Harmonie und Güte des Kosmos durch Übertreten natürlich gegebener Grenzen. - Götter haben keine oder kaum eine Bedeutung; ein böses Urprinzip ringt mit einem guten; Gott spielt eine untergeordnete Rolle; Gott spielt eine entscheidende Rolle; Gott ist bipolar; Leiden ist die zwangsläufige Folge der Schöpfung, durch den Abfall von der Ewigkeit und den Eintritt in die Zeit, durch das Verlöschen des "Lichtes" in der Materie und durch deren Widerständigkeit. Das Ringen der Menschheit mit der so schmerzlichen Frage des Leidens und Bösen verlangt höchsten Respekt. Sie erreicht ihre äußerste Zuspitzung, wenn gemäß der christlichen Botschaft Gott der allmächtige und liebende Schöpfer ist. Karl-Josef Kuschel verfolgt den kirchenamtlichen und theologischen Klärungsprozess durch die Jahrhunderte. Er zeigt das Ungenügen der Privations-, Zulassungs-, Straf- und Erziehungstheorie auf, aber auch der Rede vom ohnmächtigen Mitleiden Gottes aus Liebe und vom Leiden als dem Preis der Liebe. Denn die Schrift (Jes 45, Ps 88) thematisiert die alleinige Verantwortung Gottes für die Welt; er ist Herr des Übels. Biblisch einzig verantwortbar ist es, die Theodizeefrage wegen ihrer grundsätzlichen Unbeantwortbarkeit offenzuhalten. Es gibt kein Durchschauenwollen Gottes. Verlangt ist das unerschütterliche Vertrauen auf die Selbstrechtfertigung Gottes. - Man muss dem Autor dankbar sein. Er entschädigt für Flachheiten anderer Beiträge. Er hat das Beispiel Christi auf seiner Seite: den Mut aufzubringen, vertrauend in die Antwort hineinzusterben. Nicht Lösung also, sondern Weisung. Diese existenzielle Antwort überbietet jede nur intellektuelle, die in ihrer abstrahierenden Allgemeinheit kaum einem, schon gar nicht dem ungerechten Leiden- und Sterbenmüssen gerecht zu werden vermag. *Theologisch-Praktische Quartalschrift* 3/2006 Johannes Singer

---

Personen: Kochanek, Hermann (Sonst.)