Die 14-jährige Faith Sunderly flieht mit ihrer Familie vor einem Skandal vom englischen Kent auf eine abgelegene Insel. Dort soll der von ihr vergötterte Vater, ein berühmter Naturwissenschaftler, an einer Ausgrabung teilnehmen und die Familie Ruhe finden. Doch der Skandal holt die Familie ein und Faith ist in Folge gezwungen, einen tragischen Mordfall zu lösen und dabei schrittweise gut versteckte Familiengeheimnisse aufzudecken. Mit ihren Romanen (soeben erschien ihr achter, vier davon sind auf Deutsch erhältlich) ist Frances Hardinge auf sämtlichen Short- und Longlists wichtiger Literaturpreise zu finden. Schon ihr Debüt wurde in höchsten Tönen gelobt, ihr siebter Roman wird regelrecht gefeiert, seit er mit dem Costa Book of the Year 2015 ausgezeichnet wurde. Bücher, die bereits solche Vorschusslorbeeren geerntet haben, müssen auch halten, was sie versprechen. Tut das „Der Lügenbaum“? Oh ja, und wie! Einige Jahre nach der Veröffentlichung von Darwins „Die Entstehung der Arten“ angesiedelt, spannt dieser viktorianische Kriminalroman einen thematischen Bogen von Geschlechterkampf und Emanzipation über das Erwachsenwerden und den damit verbundenen Verlust des vereinfachenden Schwarz-Weiß-Denkens hin zum ewigen Kampf zwischen Religion und Wissenschaft. Diese hochkomplexen Inhalte sind mit einem spannenden Plot verwoben, angereichert mit einer überbordenden Symbolik (Lügen, die im Dunkeln gedeihen; Schlangen, die sich quälend langsam häuten; Korsetts, die noch nicht sitzen), einer metaphorischen Sprache und überzeugenden, lebensecht gezeichneten Figuren. Für das viktorianische Setting hat Hardinge genau recherchiert: Details, wie die Praxis der Totenfotografie sowie der Kraniometrie und das aufkeimende Interesse an archäologischen Grabungen und Fossilien, lassen das 19. Jahrhundert überzeugend vor dem inneren Auge des Lesers/der Leserin wiederauferstehen. Ein anspruchsvolles, herausforderndes, aber auch wunderbar unterhaltendes und spannendes Werk, das sowohl heranwachsende als auch erwachsene LeserInnen begeistern wird. Bitte noch mehr Hardinge auf Deutsch!

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Personen: Hardinge, Frances