Vielschichtiger gesellschaftskritischer Roman um einen vermeintlichen Suizidversuch. (DR) Eine junge Frau steht auf dem Dach eines Hauses und wirft Ziegelsteine und andere Gegenstände hinunter auf die Straße. Dort haben sich bereits Feuerwehr, Polizei, Rettung, die Medien sowie zahlreiche Schaulustige versammelt, um dem Spektakel beizuwohnen. Wie das Mädchen Manu in diese Lage gekommen ist, bzw. wie sich der mögliche Suizid auf einige BewohnerInnen des Viertels in den folgenden 24 Stunden auswirkt, ist der formale Inhalt dieses Romans. Die Aktanten in Manus Umkreis sind ihre Schwester, die aus der anstehenden Wahl als Bürgermeisterin hervorgehen möchte, ihr Freund, ein Fahrradkurier, ein älteres Ehepaar, das einen schlecht gehenden Kiosk führt, ein Künstler, eine Bistrobesitzerin und noch einige andere. Die Vielschichtigkeit der handelnden Personen ermöglicht der Autorin, einige der gravierendsten Gesellschaftsprobleme unserer Zeit anzusprechen: Es geht um Sensationsgier, Mobbing in der Schule, Armut, Obdachlosigkeit, Neurosen als Folge nicht aufgearbeiteter psychischer Traumata, dem erbarmungslosen Wandel der Zeit oder ganz einfach der fehlenden Aufmerksamkeit gegenüber seinen Mitmenschen. Die ziemlich kurz gehaltenen und in ihrer Reihenfolge als zufällig wahrgenommenen Kapitel wirken bei Simone Lappert wie Ausschnitte einer Milieustudie. Kaum dass man sich emotional auf eine der Nebenhandlungen eingelassen hat, springt sie zur nächsten. Ihre Beschreibungen zeugen von guter Beobachtungsgabe und sind von sprachlicher Präzision gekennzeichnet. Lappert versteht es darüber hinaus, die Leserin/den Leser durch subtile Verknüpfungen zwischen Realität und Fiktion zu Fehlannahmen zu verführen. Wie sie die titelgebende Situation zu Beginn des Romans, die man als einen vermeintlichen Höhepunkt wahrnehmen würde, letzten Endes als Kontrapunkt manifestiert, zeugt von literarischem Können. Die Gefahr, sich in den vielen Handlungssträngen zu verfranzen, besteht nicht bei diesem Roman, dessen Lektüre man ungern unterbricht.

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Personen: Lappert, Simone