Meine stille Nacht 12 Geschichten vom Werden
Buch: Dichtung

12 berührende Geschichten zwischen Geburt und Tod (DR) Es ist wohl das bekannteste Weihnachtslied der Welt, mehr als 200 Jahre alt, übersetzt in 320 Sprachen und Dialekte. Auswendig gesungen wird heute im (christlichen) Familienkreis zur Melodie von Franz Xaver Gruber - wenn überhaupt - meist die erste der ursprünglich sechs Strophen des Textes aus dem Jahr 1816 von Joseph Mohr. Ein Ritual. Oder haben die Worte von »Stille Nacht, heilige Nacht« gegenwärtig noch eine Bedeutung? Ausgehend von dieser Idee der Stille Nacht Gesellschaft ist im Müry Salzmann Verlag ein Buch mit neuen Texten deutschsprachiger Autorinnen und Autoren erschienen: »Meine stille Nacht«. Die Herausgeberin Mona Müry versammelt auf 120 Seiten »12 Geschichten vom Werden«. Die Bandbreite der Assoziationen von Birgit Birnbacher über Elke Laznia und Rafik Schami bis Jens Wonneberger zu den Themen Nacht, Stille und Weihnachten ist in den kurzen Erzählungen erstaunlich groß - und doch zieht sich ein roter Faden persönlicher Erinnerungen durch fast alle Texte. Dabei durchbricht nicht nur einmal ein Schrei das Dunkel: lautlos, im Inneren eines 8-jährigen Buben, einsam im Zimmer mit einer Spinne am Fenster, an Gott und dem Christkind zweifelnd ob des verstorbenen Großvaters. So in der bewegenden Erzählung »Woher ich komme« von Friedrich Ani über das Verschwinden des geliebten Menschen zwei Tage vor Weihnachten, die mit dem Bekenntnis endet: »Diese Geschichte ist meine ganze Autobiografie. Schlafe in seliger Ruh.« Den Anfang der klug arrangierten Anthologie macht Marlene Streeruwitz mit ihrer innigen Geschichte über eine namenlose Frau, die - in der Stille eines Spitalszimmers neben ihrer neugeborenen Tochter liegend, auf Atem hörend - gelöst vom einst »schwangeren Denken« langsam zu sich selbst findet, zu einem »Wir«. Am Buchende dann das Gegenteil: ein barockes Himmelfahrtskommando des Autors Franzobel, der aus der traumhaften Innenperspektive eines Du köstlich vom Horror einer vernebelt-stürmischen Gondelfahrt in den Himmel erzählt: »Oh my God!« Zwischen diesen beiden Polen reflektiert etwa Olga Grjasnowa über kulturelle Unterschiede des Weihnachtsfestes. Bei Flora S. Mahler erinnert sich die Ich-Erzählerin an die tote Mutter zwischen weihnachtlichem Lärm und dem Stillstand der Avantgarde-Komposition 4æ33ô von John Cage. Und bei Michael Stavaric begegnet ein nachdenklich-neugieriges Kind allerfrühsten Erinnerungen zwischen Licht und Schatten - bis zu den Sternen. Wer Bücher der hier schreibenden Schriftsteller*innen kennt, ist nicht überrascht über die sprachlich unterschiedlichen Texte, die sich wenig mit äußeren Wirklichkeiten beschäftigen, sondern meist aufwühlende Zwiegespräche mit dem eigenen Ich sind - adressiert an Gott, gerichtet an ein vergangenes oder gerade geborenes Gegenüber. Besonders die Vielfalt macht den Reiz dieses empfehlenswerten Buches aus - nicht nur zur Weihnachtszeit.


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Meine stille Nacht : 12 Geschichten vom Werden / herausgegeben von der Stille Nacht Gesellschaft. - Salzburg ; Wien : Müry Salzmann, 2022. - 127 Seiten
ISBN 978-3990142363 Festeinband : EUR 24,00 (AT)

Zugangsnummer: 0018113001
Signatur: DG MEIN - Buch: Dichtung