Holzer, Stefanie
Wer bitte passt auf meine Kinder auf Essay

Zwei Grundeigenschaften sollte ein Essay haben, damit man über ihn diskutieren kann: nämlich einen Standpunkt und eine These. Wenn dies fehlt, sprechen wir besser von einem Tagebuch oder sonstigem Befindlichkeitsdokument. Im Kinder-Essay von Stefanie Holzer ist lange Zeit nicht klar, worum es geht. Die Autorin ist Mutter, was sie mehrmals erwähnt, und hat einen Mann, dem sie sehr dankbar ist. Aus dieser Grundquelle und einem Dutzend Aufsätzen in Wochenmagazinen und Wochenendbeilagen speisen sich ein paar Bauchgefühlthemen. In diesem Gefühlsgemenge tauchen dann so Diskutierfetzen auf wie: die Erinnerung an die eigene Mutter ist schön, die Familie ist auf jeden Fall das wertvollste, der falsche Feminismus lässt die Mutterschaft links liegen. Vieles um das Thema Familie ist als Erinnerung und Intimerzählung angelegt, also die Mutter hat immer empfohlen, die Kinder spät zu kriegen, die Schwester hat es neben den Kindern geschafft, Leiterin einer Marketingabteilung zu werden, aber was will uns die Autorin damit sagen? Also die Gesellschaft ist kinderfeindlich, manche Mütter geben die Kinder an der Krippe ab, statt sie zu genießen, viele Väter gehen zur Arbeit, statt zu Hause zu bleiben, die Wirtschaft nimmt keine Rücksicht auf Familien. Früher haben sich Politiker noch mit Kindern abbilden lassen, heute stellt man beim Googeln fest, dass fast alle geschieden sind und irgendwie patchworken. Höchste Zeit, den Wert der Familie wieder in den Vordergrund zu stellen, was ja auch jedes Wochenende viele Redakteurinnen in den einschlägigen Magazinen tun. In der Hauptsache will die Autorin erzählen, dass man alles anders sieht, wenn man Kinder hat. Hier gleicht sie Schwangeren, die plötzlich alles als schwanger erleben, oder Marathonläufern, die die Welt als großen Lauf empfinden. Ab und zu tut sich etwas wie Rechenschaftsliteratur auf, worin späte Mütter dem Feminismus abschwören und voll auf die Familie abfahren. Die Begründungen sind dabei geradezu woll-gestrickt: Weil in ihrem Geschichtsunterricht die spartanische Erziehung so heftig und allumfassend dargestellt worden ist, will die Erzählerin die Erziehung der Kinder selbst in die Hand nehmen und nicht einem System anvertrauen. "Kann es uns egal sein, wenn der Einfluss des Elternhauses zugunsten des staatlichen Einflusses zurückgedrängt wird?" (85) Aha, vielleicht soll das das Thema sein, zumal es abschließend um Zeit verschenken geht und das kann man nur privat und niemals öffentlich, oder so ähnlich. "Ich fürchte, dass wir als Gesellschaft das richtige Maß verlieren. […] Seien wir doch, auch im eigenen Interesse, großzügiger mit unserer Zeit." Soweit die Schlussworte. - Also Essay ist das keiner. Helmuth Schönauer


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Serie / Reihe: Limbus Essay

Personen: Holzer, Stefanie

Standort: Bibliotheksreferat

Schlagwörter: Kinder Aufsicht

Holzer, Stefanie:
Wer bitte passt auf meine Kinder auf : Essay / Stefanie Holzer. - Innsbruck : Limbus, 2015. - 125 S. - (Limbus Essay)
ISBN 978-3-99039-048-1 kart. : ca. € 10,00

Zugangsnummer: 0017793001 - Barcode: 0002036908
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