Gerlach, Harald
Man liebt nur, was einen in Freyheit setzt die Lebensgeschichte des Friedrich Schiller
Buch

Quelle: 1000 und 1 Buch (http://www.1001buch.at/); Autor: Christina Rademacher; Auf der Frankfurter Buchmesse dominierte Friedrich Schiller als überlebensgroßer, attraktiv ausschauender und leidenschaftlich dreinblickender Pappkamerad den dtv-Stand. Ein Klassiker als Literaturstar von heute. Zum 200. Todestag 2005 erscheinen Biographien aller Orten, einige davon wenden sich speziell an junge Leser und wollen zeigen, dass noch heute was dran ist an den Dramen und Balladen des ewig kranken Vielschreibers. Das gelingt mehr oder weniger. Vorneweg (oder eigentlich hinten dran) gibt es ein gemeinsames Manko der drei Biographien, die jetzt bei dtv, Hanser und Beltz & Gelberg erschienen sind: Überall fehlen Register. Das schmälert den praktischen Nutzen, denn wenn Jugendliche im Unterricht ein bestimmtes Stück behandeln und darüber etwas nachlesen wollen, müssen sie unter Umständen lange suchen. Bei dtv und Beltz & Gelberg gibt es wenigstens eine Zeittafel für den schnellen Überblick, eine Bibliographie und eine (identische) Karte von Schillers Wohnorten, bei der im Hanser Verlag erschienenen Biographie noch nicht einmal das. Sie, die von Manfred Mai geschrieben wurde, schneidet im Vergleich am schlechtesten ab. Mai beginnt nach einer kurzen, aber spannenden Beschreibung von Schillers Tod im Alter von 45 Jahren und seiner Beerdigung in einem Massengrab einfach von vorn, bei Schillers Vater, und erzählt chronologisch, bis er wieder bei Schillers Tod angekommen ist. Das ist das gängige Verfahren, aber Leben und Werk des zum Adeligen erhobenen Familienvaters erscheinen in dieser Darstellung eher glatt und widerspruchslos, wesentliche Aspekte zeichnen sich nur schwach ab. Konventionell bleibt Mai auch sprachlich, wobei manche Allgemeinplätze nichts zur Erhellung eines Lebens beitragen und keinen Jugendlichen (Erwachsenen wohl auch nicht) vom Hocker reißen dürften: "Die Wege des Herrn sind unergründlich - oder: Zufälle gibt's, man glaubt es nicht." Zwischen Mais Ausführungen stehen seitenlange (man möchte fast schreiben: ellenlange) Auszüge aus Schillers Dramen und Briefen, während die Auslegung eher knapp ausfällt. Auch über die Wirkungsgeschichte erfährt man nichts. Sprachlich lebendiger und mutiger im Zugriff ist Christiana Engelmanns und Claudia Kaisers bei dtv erschienene Biographie. Anschaulich erläutern die Autorinnen Schillers Werke unter verschiedenen Aspekten, die den Interessen Jugendlicher entgegenkommen: Freundschaft, Familie (Vater-Sohn-Verhältnis), Selbstfindung, Rolle der Frau. Der Verzicht auf Chronologie zieht zwar manche Wiederholung und manche Lücke nach sich, aber die klare, lehrreiche und mit Ironie gewürzte Darstellung wiegt das mehr als auf. Das Autorinnenteam weckt Interesse an den aus heutiger Sicht in ihrem überschwänglichen Pathos oft schwer verständlichen Dramen und Briefen. Weiterer Pluspunkt sind die freundlich karikierenden Illustrationen Peter Schössows zur Einleitung jeden Kapitels (besonders gelungen: die Schiller-Büste auf dem Fernseher zum Kapitel über die Wirkungsgeschichte). Das ist mal was anderes als zeitgenössische Porträts und Zeichnungen und stellt den Bezug zur Gegenwart her, ohne dem Gegenstand Gewalt anzutun. Negativ fallen die briefmarkenkleinen Abbildungen von Handschriften auf, die so bestenfalls dokumentarischen Wert haben. Die dritte Biographie im Bunde und zugleich die anspruchvollste ist von Harald Gerlach. Sie überzeugt einerseits durch stilistische Brillanz, andererseits durch ebenso gründliches wie kritisches Quellenstudium. Gerlach hat mit Hilfe eines Stipendiums der Schillergesellschaft im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar geforscht. Offen bleibt, ob die Biographie des 2001 verstorbenen Schriftstellers tatsächlich speziell für Jugendliche geschrieben worden ist. In seinem "Geleitwort" begründet ein Professor der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen, dass sich das Buch deshalb für ein "vornehmlich jugendliches Publikum empfiehlt", weil es mit "frischer, ungezügelter Leidenschaft" geschrieben sei. Das trifft für das Geleitwort weniger zu, aber wenn man zum ersten Kapitel kommt und sich ein wenig eingelesen hat, ist Gerlachs kritisches und reflektiertes Hinterfragen bisheriger Deutungen tatsächlich sehr erfrischend. Gerlach deckt Widersprüche auf und lässt sie bestehen. Er langweilt nicht mit langen Auszügen aus Schillers Werk, sondern beschränkt sich auf kurze Zitate und optisch abgesetzte Inhaltsangaben. Und ganz nebenbei lernt man von ihm auch noch einiges über das Schreiben von Biographien. ---- Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html); Autor: Maria Schmuckermair; Schillers Leben - weit entfernt von (vermeintlich) klassischen Idealen. (JK) Immer wieder zeigt sich, dass man bei näherer Beschäftigung mit der Biografie großer Dichter sein vorgefertigtes Bild, das man sich nur aufgrund des Werkes und dürftiger Lebensdaten gemacht hat, revidieren muss. Historiendramen, die die inneren Konflikte Mächtiger zum Thema haben, klassische Balladen und abgeklärte Gedankenlyrik (von den wilden Sturm und Drang-Werken abgesehen) lassen vor dem geistigen Auge der Leserschaft einen besonnenen Mann erstehen, der sich bei seinen Entscheidungen nur von vernünftigen Beweggründen leiten lässt und ein Leben in geordneten Bahnen führt. Nichts davon trifft auf den rebellischen Schiller zu, wenn es denn stimmt, was der ehemalige Theatermensch Harald Gerlach (Bühnenarbeiter, Dramaturg und Hausautor in Erfurt zu DDR-Zeiten) zusammengetragen und eigenständig gedeutet hat. Schiller war Zeit seines Lebens kränkelnd, fast immer in Geldnot, unstet, als Freund und Ehemann berechnend und im Grunde ein pessimistischer Zweifler. "Ich bin wie einer, der an eine fremde Küste verschlagen worden und die Sprache des Landes nicht versteht." - Wer würde dem größten deutschen Klassiker neben Goethe (dem er übrigens lange Zeit vor ihrer angeblich engen Freundschaft wegen gegenseitiger Abneigung aus dem Weg gegangen ist) diese Selbsteinschätzung zutrauen? Im Spiegel dieser spannenden Biografie leuchtet Schillers Werk frisch und wie neu!


Rezension


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Personen: Gerlach, Harald

Schlagwörter: Biografie Schiller, Friedrich

Gerlach, Harald:
Man liebt nur, was einen in Freyheit setzt : die Lebensgeschichte des Friedrich Schiller / Harald Gerlach. - Weinheim : Beltz & Gelberg, 2004. - 190 Seiten
ISBN 978-3-407-80877-6

Zugangsnummer: 14082
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