Montgomery, Sy
Rendezvous mit einem Oktopus extrem schlau und unglaublich empfindsam: das erstaunliche Seelenleben der Kraken
Buch: Sachbuch

Begegnungen von Mensch und Tier - Wissen mit Empathie. (NI) Katzen gehen immer. Hunde auch. Neuerdings auch Wölfe. Aber Vögel und Kraken? Wie nähert man sich solchen Wesen erzählerisch und wo liegen die Grenzen von Sachbuch und Fiktion, von Information und Spekulation, von Wissenschaft und Kitsch? Krambambuli, Bambi und Kater Murr verbringen ihr literarisches Leben im Feld der Belletristik und werden auch nach ihren Kriterien beurteilt. Zu Recht. Die "Genies der Lüfte" und das "Rendezvous mit einem Oktopus" folgen zwar über weite Strecken den erzählerischen Gesetzen einer Reportage, haben ihr Zuhause aber eindeutig in der Sachbuchabteilung. Wissen und Verstehen sind das Ziel, Erzählen das angenehme Vehikel auf diesem Weg. Mit Interesse und Respekt Bei aller Unterschiedlichkeit der von ihnen präsentierten Tiere zeigen die beiden Titel doch eine auffällige Reihe von Gemeinsamkeiten: Wenn es einmal hinauf in die Höhen der Lüfte geht und einmal hinab in die Tiefen der Meere, so betreten wir zweimal Bereiche, in denen wir Menschen nicht heimisch sind - die Meereswelt, der wir entstammen, die Himmelswelt, von der wir träumen. In beiden Büchern ist es eine Frau, die sich - von Interesse getrieben - empathisch forschend den Tieren nähert. In beiden Büchern spürt man neben der Faszination eine große Achtung vor ihrem Gegenüber, die sich regelrecht in Zuneigung ausdrückt. In der Beschreibung greifen beide Autorinnen auf Analogien zu menschlichen Verhaltensformen und Charaktereigenschaften zurück und vermitteln dadurch Vorstellungen von großer Nähe und Verwandtschaft unter den Lebensformen. Die Scheidegrenze, die unser abendländisches Bewusstsein zwischen Mensch und Tier gezogen hat, ist überwindbar und in der Begegnung mit dem Anderen erfahren beide AutorInnen mehr über sich selbst. Und wir mit ihnen. Beide Bücher kann man als Expeditionen in ein fremdes Land lesen, das einem nach und nach vertrauter wird, bis man es zu verstehen und zu lieben beginnt. Acht Arme zum Denken Als wirbellose Tiere können sich Oktopoden erstaunlich verwandeln und ihre Fangarme haben bei Menschen von jeher Ängste ausgelöst, kaum Bewunderung. Als Sy Montgomery sich mit einer Mischung aus Neugier und Unsicherheit im Kaltwasseraquarium von Boston erstmals der Oktopus-Dame Athena nähert, beginnt eine Beziehung zu dieser wundersamen Lebensform, die die Autorin nicht mehr aus ihrem Bann lässt. In Blicken und Berührungen beginnt eine Kommunikation von großer Nähe. Warum werden diese verwandlungsfähigen Wesen mit ihren drei Herzen und ihren acht Armen, in denen sich mehr neuronale Netze finden als im Gehirn, in der Literatur und in Seefahrergeschichten ausschließlich als gefährliche Monster beschrieben? Warum brauchte es so lange, um die Gutmütigkeit und vielfältige Intelligenz der Tiere mit ihren Fähigkeiten des Lernens, Spielens und Täuschens zu entdecken? In dieser und in weiteren Begegnungen zeigt uns Montgomery, wie individuell unterschiedlich diese Tiere in ihren Charaktereigenschaften sein können und dass sie über ein großes Spektrum an Gefühlen verfügen. Die erzählerisch beeindruckende Annäherung gipfelt in der Überzeugung: "Wenn ich eine Seele habe - und davon gehe ich aus -, dann hat ein Tintenfisch auch eine Seele." Keine Frage der Größe "Spatzenhirn". Ein beleidigender Ausdruck, der glaubt, von der Walnussgröße eines Gehirns auf seine Leistungsfähigkeit schließen zu können. Nach der Lektüre von Jennifer Ackermans "Die Genies der Lüfte" wird man sich hüten, diesen Begriff jemals wieder zu verwenden. Mit erzählerischer Bravour und immensem Wissen nimmt uns die Autorin mit in eine unglaublich vielfältige Vogelwelt mit ihren unterschiedlichsten Charakteren und Persönlichkeiten. In Beobachtungen und Gesprächen mit Fachleuten sammelt Ackerman Erkenntnisse und Anekdoten, aus denen das komplexe Sozialverhalten, die erstaunliche Merkfähigkeit oder die unglaubliche Anpassungsfähigkeit einzelner Vogelarten abzulesen sind. Einzelne Arten sind sogar in der Lage, sich auf dem versperrten Weg zu interessanten Futterquellen spontan kleine Werkzeuge wie einen Haken zu basteln. Die Beispiele, in denen die Kognition der Vögel nicht ausreicht, um etwa ein Spiegelbild von der Wirklichkeit zu unterscheiden, werden nicht ausgespart. In der Gesamtschau entsteht jedoch das Bild von einer Lebensform voller Vitalität, die intensiv ihr Dasein zubringt und singend den Herausforderungen des Lebens begegnet.


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Personen: Montgomery, Sy

Schlagwörter: Meerestiere Oktopus

Montgomery, Sy:
Rendezvous mit einem Oktopus : extrem schlau und unglaublich empfindsam: das erstaunliche Seelenleben der Kraken / Sy Montgomery, Aus dem Amerikan. von Heide Sommer. - 4. - Hamburg : mareverlag, 2017. - 336 S.
ISBN 978-3-86648-265-4 fest geb. : ca. EUR 28,80

Zugangsnummer: 0026497001
Zoologie - Signatur: NI MON - Buch: Sachbuch