Haderlap, Maja
Nachtfrauen Roman
Buch

Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html); Autor: Cornelia Gstöttinger; Die mit sensiblem Blick dargestellten Lebensperspektiven von Frauen dreier Generationen. (DR) 2011 erschien Maja Haderlaps vielbeachtetes Debüt »Engel des Vergessens«, hochgelobt für seine poetische Erzählkraft und seine zeithistorische Brisanz, ausgezeichnet u.a. mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis und dem Rauriser Literaturpreis. Zwölf Jahre später überzeugt die Autorin in ihrem zweiten Roman erneut mit sprachlicher Eleganz und erzählerischem Feingefühl. In »Nachtfrauen« leuchtet sie die Seelenzustände ihrer Protagonistinnen sensibel aus, beschreibt deren innere und äußere Konflikte präzise und gleichzeitig poetisch. Mira bricht nach Südkärnten auf, um sich um ihre Mutter Anni zu kümmern. Auf Wunsch des Bruders soll sie die gebrechlich gewordene Frau auf die bevorstehende Übersiedlung ins Seniorenheim vorbereiten. Die Fahrt gleicht einer Reise »ins Innere ihrer Kindheit« (S. 11), Unaufgearbeitetes nimmt nach und nach Raum ein. Immer hat sie das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen, weil sie für ihr Studium nach Wien gegangen, dauerhaft aus dem dörflichen Kosmos ausgebrochen ist, um sich außerhalb vorgefertigter Bahnen eine Existenz aufzubauen. Sie arbeitet als Bibliothekarin in Wien, ist für die Menschen im heimatlichen Dorf eine Abtrünnige, ein Mensch ohne Zugehörigkeit geworden. Vor ihr gelang es in ihrem Familienkreis nur ihrer Großtante, die als Partisanin im Widerstand aktiv war, sich zu emanzipieren. »Der slowenische Dialekt war das Tor, durch das sie eine abgeschlossene, scheinbar zurückgelassene Welt betrat, die von Menschen bevölkert wurde, von Lebenden und Toten, die etwas von ihr wollten.« (S. 19) Die slowenische Sprache und die einschneidenden Erlebnisse ihrer Ahnen zur NS-Zeit schiebt Mira genauso von sich wie die Erinnerung an körperliche Ein- und Übergriffe durch männliche Dominanz. Über Gefühle wird in dieser Familie nicht gesprochen, Traumatisches wird verdrängt, so kapselt sie auch die Trauer um ihr ungeborenes Kind tief in sich ein. Maja Haderlap arbeitet die Brüche in diesem Familiengefüge heraus, macht deutlich, wie es zum Verstummen, zur Distanz zwischen Mutter und Tochter kam, welche Erlebnisse über Generationen hinaus prägend waren und wie schwer Unausgesprochenes wiegt. Anni selbst hat von ihrer gefühlskalten Mutter nur Befehle, Belehrungen und Gebete gehört, der Rest war Schweigen. Die Mutter rackerte sich in der Gastwirtschaft ab, Fleiß, Pflicht und stummes Erdulden standen über allem. Über den nicht vom Krieg heimgekehrten Vater wurde nicht gesprochen. Anni wiederum muss nach dem frühen Tod ihres Mannes rasch einen Weg finden, um für ihre Kinder zu sorgen. Diese Erwerbsarbeit ungelernter Frauen greift Mira in ihrer Abschlussarbeit fürs Soziologiestudium auf. So kreist der Roman auch um Themen wie Care-Arbeit und patriarchale Strukturen, schildert eindringlich weibliche Lebensperspektiven und nimmt dabei Zeithistorisches in den Blick. Allen Büchereien sehr zu empfehlen!


Rezension


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Personen: Haderlap, Maja

Haderlap, Maja:
Nachtfrauen : Roman / Maja Haderlap. - Berlin : Suhrkamp, 2023. - 293 Seiten
ISBN 978-3-518-43133-7 EUR 20.79

Zugangsnummer: 17733
Belletristik - Signatur: Belletrist Had - Buch