Balen, Katya
Medium der interaktiven Leseförderung Antolin Mein Bruder und ich und das ganze Universum
Buch

Katya Balens Erstling ist zweifellos ein gelungenes Buch, über das nicht nur alle, die mit dem Thema „Autismus“ befasst sind, froh sein werden. Der Roman behandelt mit dramatischem Schwung, Einfühlungsvermögen und Fantasie, in oft starker, auch schöpferischer Sprache und aus authentisch wirkender Kinderperspektive schwerwiegende Themen: Krankheit und Behinderung, Außenseitertum und Mobbing, Eifersucht und Konkurrenz, und, als wäre das noch nicht genug, den Umgang mit dem Tod. Max, der Bruder des elfjährigen Protagonisten Frank, ist Autist. Und Frank hat nicht nur damit zu kämpfen, dass sich der familiäre Alltag überwiegend um den kleinen Bruder dreht, sondern auch damit, dass sich seine Freunde über Max lustig machen. Der Romanheld, eine im besten Sinn durchschnittliche Identifikationsfigur für heutige junge Leser, ist eifersüchtig auf seinen extrem verhaltensauffälligen Bruder und macht ihn dafür verantwortlich, dass seine geliebte Mutter immer erschöpft ist. Er hasst es, dass viele für andere Kinder normale Dinge in seinem Leben eine teilweise unüberwindbare Hürde darstellen. Gleichzeitig aber fühlt Frank sich Max verbunden und weiß, dass er sich um ihn kümmern und für ihn da sein muss. So ist der Junge in einem komplizierten Geflecht widerstreitender Emotionen gefangen. Die Autorin fordert ihre kindlichen Leser heraus, indem sie die mit der Behinderung einhergehenden Situationen so eindringlich schildert, dass es an manchen Stellen an die Grenzen des Erträglichen geht, und man sich fragen kann, welches Kind sich dieser Lektüre freiwillig aussetzt, zumal bald zusätzlich erahnbar wird, dass die Mutter der Jungen an Krebs leidet und sterben muss. Die von der Trauer und dem Verlust handelnden Szenen sind intensiv und ergreifend – es erscheint zunächst unmöglich, dass sich im Leben Franks noch einmal irgendetwas zum Guten wenden wird. Am Ende aber bekommen alle Figuren, ihnen voran Frank, der endlich erkennt, dass er seinen Bruder liebt und für ihn einstehen kann und will, auf bedeutsame Art und Weise neuen Lebensatem eingehaucht, und die wie chaotisch auseinandergefallenen Mosaiksteine der verschiedenen Persönlichkeiten und Lebensarten, die im Roman aufeinandertreffen, scheinen wie zurücksortiert in ebenmäßige Ordnungsketten. Ein Bild, das auch den zentralen, eher emotionalen als rationalen Vorbehalt illustriert, den man gegenüber dem Text hegen könnte: Er ist so unglaublich gut gemacht, so wohlwollend, geschickt und pädagogisch wertvoll – jede Figur und jede Szene scheinen eine dem Text als Ganzes sinngebende, lehrreiche Funktion zu haben, – dass er kaum eine Spur mehr trägt von jenem intuitiv und spontan Gewachsenen, das das Intendierte überschreitet und zu etwas Uneinschätzbarem vergrößert.


Dieses Medium ist verfügbar. Es kann vorgemerkt oder direkt vor Ort ausgeliehen werden.
Dieses Medium ist im Leseförderprojekt Antolin vorhanden.
Bei antolin.de aufrufen

Personen: Balen, Katya Weppen, Annette von der

Schlagwörter: Antolin Klasse-6

JE Balen

Balen, Katya:
Mein Bruder und ich und das ganze Universum / Katya Balen ; aus dem Englischen von Annette von der Weppen. - 1. Aufl. - Hamburg : Carlsen, 2019. - 207 Seiten ; 22 cm, 372 g
Einheitssacht.: ¬The¬ space we’re in
ISBN 978-3-551-55761-2 Festeinband : EUR 13.40 (AT)

Zugangsnummer: 2020/2032 - Barcode: 2-2114815-4-00002032-9
Erzählungen und Romane - Buch