Darf man, wenn das Gefühl ganz stark wird, ganz kurz den Kitsch verwenden, um mit diesem heftigen Gefühl fertig zu werden? Jochen Jung, der Meister des starken Gefühls, wagt sich bei vollem Bewusstsein an den Rand des Kitsches und zähmt ihn durch seine Figuren. Zuerst einmal glaubt man als Leser, man spinnt, da sitzt jemand an der Küste, wird von Möwen umschwirrt und heißt Jonathan, tollkühn nach der berühmtesten Möwe der Literaturgeschichte benannt. Er ist wahnsinnig blond, und die nächsten Figuren, die auftauchen, sind noch blonder, es sind dies Inselfrauen, die einen Kiosk betreiben und vor allem einheimisch sind. Was so verstört und selbstaufgelöst als Figur in den Dünen liegt, hat eine handfeste Geschichte. Jonathan nämlich ist mitten im Begräbnis der Mutter aus dem Trauerarrangement abgehauen in diese Gegend hier, aus der die Mutter stammte. Jetzt ist er mit Sätzen beschäftigt wie: "Ich sehne mich unendlich, aber ich weiß nicht wonach." (E59) Zudem hat er zwischendurch Angst, den eigenen Tod zu verpassen. Mittlerweile hat sich Jonathan bei drei Frauen einquartiert, sie reden über das Leben auf den Dünen und sitzen zwischendurch im Freien, denn zum drinnen Sitzen ist das Leben viel zu kurz. (E94) Auf der Flucht vom Begräbnis haben Jonathan ein paar merkwürdige Säufertypen begleitet, die sich wegen der vielen gesoffenen Dosen Blechmänner nennen. Diese pöbeln noch eine Runde herum, und als Jonathan im Freien in der klaren Nacht liegt, wird er zusammengeschlagen. Von den Blechmännern, von den Wolken, von den Wellen, es ist ihm letztlich egal. Und dann gibt es doch noch einen heftigen Trauerfall, der Hund Pluto ist über Nacht gestorben. Der Schmerz ist gigantisch und man tröstet sich mit der alten Küstenweisheit: "Drei Tage Regen und drei Tage Sonnenschein und alles ist wieder gut." (E89) Am Schluss meldet sich der tote Hund aus den Wolken heraus und berichtet, dass es im Jenseits genau so ist, wie man es sich vorstellt. Jochen Jung ist das Kunststück gelungen, aus einer Trauergeschichte etwas Luftiges zu machen, das tatsächlich zwischen Möwen, Wolken und Meer zu Hause ist. Wenn die schweren Sätze versagen, vielleicht geben dann die leichten Halt. Und geht nicht die satte Trauer oft in den satten Kitsch über? - Das Wolkenherz überwindet alle schweren Dinge und wird zu einer hellen Sommergeschichte. Helmuth Schönauer

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Personen: Jung, Jochen