Benameur, Jeanne
Großer Adler schläft nur
Buch

Annotation: Problemorientierte Erzählung zum Tabuthema Sterben, in der die Erfahrungen und Bewältigungsmöglichkeiten des Todes einfühlsam und nachvollziehbar gestaltet werden. Rezension: Zwei Kinder und deren Mutter werden durch den Bergunfall des Vaters schlagartig mit einer Extremsituation konfrontiert, die ihr gewohntes Familienleben zerstört. Zwischen Hoffen und Bangen erleben sie zum ersten Mal die Unausweichlichkeit dieses Schicksalsschlages: Der Vater liegt im Koma. Zuerst wissen sie nichts mit dem Begriff "Koma" anzufangen und hoffen, dass ihr Vater, "der große Adler", nur schlafe. Hand in Hand wartet das Geschwisterpaar vor der Intensivstation, die Kinder wachen gleichsam über den Schlaf des Vaters und begleiten ihn auf seiner langen Reise, an deren Ende der Tod steht. Dieses Hoffen und Bangen lässt die Kinder in eine gefährliche, magisch-mythische Phantasiewelt flüchten, wodurch sie jeden Kontakt zur Außenwelt verlieren. Auch die Mutter ist wie gelähmt und nicht imstande, das Leid der Kinder aufzufangen und sie in einen halbwegs normalen Kinderalltag zurückzuführen. Erst die Gestalt des schwarzen Straßenkehrers Issaias, der im Krankenhaus seinen Dienst versieht, vermag den Bann zu brechen und sie aus der Tiefe der Verzweiflung zurückzuholen. (Wie Issaia allerdings gleichsam als deus ex machina am Ende die Verstrickungen auflöst, wirkt etwas aufgesetzt. Zudem erinnert er fatal an Michael Endes Figur des Beppo Besenkehrer - nicht nur äußerlich, sondern auch in seiner lebensphilosophischen Haltung.) Eine behutsam erzählte Geschichte vom Abschiednehmen und Loslassen, von Verlust und von Wegen aus der seelischen Krise. Sprachlich einfühlsam, einprägsam und authentisch werden der Schmerz über den Verlust eines Elternteils und die Ohnmacht angesichts des unausweichlichen Schicksals beschrieben, gezeigt wird, wie rasch die beiden Kinder selbst in ihrer Existenz bedroht sind. Es gelingt der Autorin, diese seelische Krise in wunderbaren sprachlichen Bildern, symbolischen Gesten und sparsamen Andeutungen zu skizzieren, indem sie viel Raum für eigene Assoziationen des Lesers lässt. Diese Impulse zum Mitfühlen und Mitdenken aktivieren eigene Coping-Strategien und sind von biblioprophylaktischem Wert. Durch die einfachen, fast spröden Formulierungen gleitet die Erzählung nie ins Larmoyante und Triviale ab, sondern vermag die Tiefenschichten existentieller Erfahrungen sichtbar zu machen, so z.B. wenn es am Schluss dieses wirklichen Alptraums heißt: "Die drei sind aufgestanden. Jetzt können sie gehen."


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Personen: Benameur, Jeanne

Familie
Benameur

Benameur, Jeanne:
Großer Adler schläft nur / Jeanne Benameur. - Düsseldorf : Patmos, 2002. - 123 S. - Aus dem Franz. von Rosemarie Griebel-Kruip
ISBN 978-3-491-37457-7 fest geb. : ca. € 12,40

Zugangsnummer: 2021/1119 - Barcode: 00001129
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