Nicht nur die deutschsprachigen Leserinnen, nein auch die englischsprachigen mussten zehn Jahre warten auf eine Rückkehr nach Coal Harbour, dem kleinen Fischerdorf an der Westküste Kanadas, wo eine wundervolle Heldin einen Alltag voller Wunder durchlebt. Nun aber ist auch sie wieder da. Primrose Squarp, das Mädchen mit den karottenroten Haaren, dem Sommersprossengesicht und den Augen wie Sommergewitter. Einen „Waffelsommer“ lang war sie auf sich allein gestellt, weil ihre Eltern im Sturm auf hoher See verschollen und – so sagten es beinah alle – draußen auf dem Meer umgekommen waren. Unbeirrt hat Primrose auf die Wiederkehr von Mutter und Vater gewartet, nie Hoffnung und Glauben verloren. Dafür aber viel an Bodenhaftung. Ihr Warten i n dieser schweren Zeit ist ein Gehen auf Zehenspitzen, eine Art Schweben. Ein Leben in einer Zwischenwelt. Das alles erkennt sie und kann es klar benennen, als sie ihre Eltern längst wieder hat, und als im „Marshmallow-Winter“ ein weiterer Sturm einen neuen Jungen ins Fischerdorf spült. Ked, ein Pflegekind auf ungewisse Zeit. So wie das auch Primrose war, die ihm als Freundin zur Seite stehen will, weil sie genau weiß, wie er sich fühlt. Weil sie erkennt, dass er, während er auf ein sicheres Zuhause wartet, wie zuvor sie auch in einer Art Zwischenwelt lebt. „Es schien, als wäre Ked nur so etwas wie der Geist der Person, die er eigentlich war; als wäre sein Wesen für niemanden fassbar.“ Dass beide Figuren – im Sommer wie im Winter – wieder sicheren Grund unter ihren Füßen spüren, dafür sorgt die kanadische Autorin Polly Horvath nicht zuletzt indem sie die klugen Kinder mit klugen Erwachsenen umstellt, die ihnen Waffeln und Weisheiten servieren. Die, während Primrose und Ked Rezepte für ein Kochbuch sammeln und zwischen den Kapiteln ihrer Geschichte notieren, Rezepte fürs Leben auftischen. Wahrheiten und Vermutungen wie diese von Onkel Jack: „Vielleicht leben wir einfach nicht in einem gerechten Universum. Vielleicht leben wir in einem Universum, in dem das Einzige, worüber wir frei entscheiden können, unsere eigene Güte ist.“ Siehe auch Polly Horvath: Marshmallow-Winter

Personen: Horvath, Polly