Boyne, John
Mein Bruder heißt Jessica Roman
KuJ-Belletristik

Wie reagieren die Familie und das Umfeld auf das Outing eines transsexuellen Jugendlichen? Ein heftig diskutiertes Jugendbuch. (ab 14) (JE) Derzeit greifen einige Kinder- und Jugendbücher das Transgender-Thema auf. Die meisten erzählen aus der Sicht der Betroffenen über deren Ängste, Konflikte und Fragen. Im Jugendbuch des irischen Autors John Boyne hingegen wird in lockerem Ton konsequent aus der Perspektive des jüngeren Sam über das Outing seines Bruders berichtet. Um das Thema Transidentität einem breiten jungen Publikum besser zugänglich zu machen, stellte Boyne die Reaktionen von Familie und Umfeld in den Mittelpunkt. Ein an sich interessanter Ansatz. Für den 13-jährigen Sam ist der um vier Jahre ältere Jason der beste Bruder auf der Welt und sein größtes Vorbild. Da die Eltern vor allem ihrer beruflichen Karriere - die Mutter ist eine ehrgeizige konservative Ministerin im englischen Kabinett, der Vater ihr Sekretär - Zeit und Interesse schenken, hängen die beiden Brüder besonders aneinander. Stets erhält der an Dyslexie leidende, schüchterne Sam vom sportlich erfolgreichen, allseits beliebten Jason Ermutigung und Unterstützung. Als Jason eines Abends seiner Familie eröffnet, dass er sich schon seit jeher als Mädchen fühlt und ab sofort seine wahre Identität leben möchte, reagieren die vorurteilsbehafteten Eltern mit harscher Kritik, Bagatellisierung und Zynismus. Sie zeigen keinerlei Interesse an ihrem Sohn, allein die Angst vor den Medien und dem bedrohten politischen Aufstieg treibt sie um. Diese erschreckend lieblose Darstellung der Eltern ist zu eindimensional, schrill und überzogen geraten. Auch Sam versteht die Welt nicht mehr. Seine kindliche Sicht des Geschehens, seine gemischten Gefühle aus Angst, Wut und Mitleid schildert Boyne überzeugend. Jessica/Jason wiederum geht mit seiner Situation erstaunlich reflektiert und gelassen um. Er/sie nimmt bei der verständnisvollen Tante Zuflucht und geht konsequent seinen Weg. Vier Jahre später scheint alles gut: Die Eltern sind auf wundersame Weise geläutert und ausgerechnet Sams Erzfeind - der arrogante Nachbarjunge David - mutiert vom bösen Mobber zum guten Freund. Aufgrund seines relevanten gesellschaftlichen Themas ein absolut diskussionswürdiges Jugendbuch ab 14 Jahren, dem allerdings differenziertere Charaktere, mehr Tiefgang und ein realistischerer Ausgang gutgetan hätten. In den Sozialen Medien wurde das Buch seitens der Transgender-Community allein schon wegen seines Titels heftig kritisiert. Demnach sollte es korrekter Weise "Meine Schwester heißt Jessica" heißen.


Dieses Medium ist verfügbar. Es kann vorgemerkt oder direkt vor Ort ausgeliehen werden.

Personen: Boyne, John Zöfel, Adelheid

Interessenkreis: JE ab 13

JE Boy

Boyne, John:
Mein Bruder heißt Jessica : Roman / John Boyne. Aus dem Engl. von Adelheid Zöfel. - Frankfurt a. M. : Fischer KJB, 2020. - 253 S.
ISBN 978-3-7373-4219-3 fest geb. : ca. EUR 14,40

Zugangsnummer: 0033146001 - Barcode: 01036859
JE - KuJ-Belletristik