Annotation: Jugendliche Protagonistin sieht in den Augen jedes Menschen dessen Todesdatum und wird durch ihre Vorhersehungen Verdächtige eines Terroranschlags auf das London Eye. Rezension: Wie Kassandra aus der griechischen Mythologie, die vor dem Trojanischen Pferd warnt und dafür verstoßen wird, ist auch die fünfzehnjährige Jem mit der Gabe der Vorhersehung bestraft. Sie sieht, fühlt den Zeitpunkt des Todes im Antlitz jedes Menschen und wird so gleichfalls zur Prophetin eines Anschlags: Vor dem London Eye tragen alle Menschen die selbe Zahl: 08122010, das gegenwärtige Datum. Doch Jem flieht stumm und widersetzt sich so dem Motiv der unerhörten Warnung. Die Ausgrenzung der Wissenden ist hier selbstbestimmt; Jem lebt resigniert und beobachtend im emotionalen Untergrund, bis sie der ruhelose, sperrige "Spinne" als charakterlicher Gegenentwurf mit auf die Flucht vor der misstrauischen Polizei nimmt. Zwischen beiden stehen die diffizilen Gefühle einer ersten Liebe - an ihrem Ende Spinnes Nummer: 15122010. Ihren Road Trip begleitet so ein stetes Memento mori, ewige Liebe per se ausgeschlossen: "Es gab kein immer für diesen Jungen." Trotz der retrospektiven Ich-Erzählung, die durch seltene Leseranreden gebrochen wird, bleibt der Text erstaunlich arm an Reflexion und unausgegoren an Spannungsbögen. Kompensieren kann dies die räumliche Metapherndichte, die eine Freundschaft inszeniert, die unten am Kanal beginnt und hoch oben auf dem Uhrturm einer Kirche endet, wo das bedrohliche Verstreichen von Spinnes Zeit allgegenwärtig ist. "Die Zahlen waren ich, ich war die Zahlen." Im kirchlichen Asyl, ob der Umzingelung durch die Behörden, pendelt Jem zunehmend zwischen Schuldgefühl und Berufung: "Du bist eine Zeugin, Jem. Du bezeugst die Tatsache, dass wir alle sterblich sind." Der beklemmenden Entelechie des Endszenarios hätte weniger narrativer und paratextueller Pathos gut getan und doch vermag dieses Debüt in Motiv und Idee zu überzeugen.

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Personen: Gutzschhahn, Uwe-Michael Ward, Rachel

Interessenkreis: JE ab 13