Kaiser-Mühlecker, Reinhard
Schwarzer Flieder Roman
Dichtung/Belletristi

Der Bauernroman gilt in seiner Verkitschung durchaus als folkloristische Begleitmusik zu touristischen Werbekampagnen, der Bauern-Sterberoman hingegen hat noch das Zeug zu Sozialkritik und authentischer Dokumentation. Reinhard Kaiser-Mühlecker setzt daher im Roman "Schwarzer Flieder" seine Figuren in ein bäuerliches Ambiente und lässt sie darin verrecken. Held ist der studierte Agrarier Ferdinand, der im Wiener Ministerium die Landwirtschaft nach wissenschaftlichen Parametern dokumentiert. Der Sektionschef unterstützt ihn freundschaftlich, die Freundin Susanne lebensorientiert, so dass er sie heiraten möchte. Da aber bringt sich Susanne um und Ferdinand gerät in eine Krise, weil man ihn unter der Hand für die Ursache ihres Suizids hält. Jetzt flüchtet Florian nach Bolivien, wohin schon sein Vater geflohen ist, als es zu Hause am Bauernhof nicht geklappt hat. Vater ist wie alle Aussteiger-Väter in Bolivien längst gestorben, unter einem exotisch schwarzen Fliederbusch ist er begraben und gerüchtehalber ist er ermordet worden. Neben viel Dosenbier hilft die Arbeit an einem Sozialprojekt gegen den europäischen Landwirtschaftsfrust. Da kommt der Anruf von zu Hause, dass am Hof ein Unglück passiert ist. Tatsächlich haben sich wie in einem Kranewitter-Stück die Verwandten am Heimathof in die Wolle gekriegt, der Onkel hat den Neffen erschlagen und sitzt im Welser Gefängnis. Die Tante erzählt in einem schweren Monolog die Geschichte des Bauernhofs und die Unmöglichkeit, als Mensch der Gegenwart darauf zu leben. Im letzten Kapitel übernimmt Florian den Hof und reitet ihn zu Boden. Alle gültigen Pachtverträge werden aufgelöst, in einer Aktion Bauer sucht Frau kommt eine Geliebte auf den Hof, mit der es keinen Körperkontakt gibt und die aus Frust Enten züchtet. Florian geht ins Bordell und bringt Haus und Hof uns ich selbst irgendwie zu Ende. Selbst der robuste Flieder rund ums Haus kriegt eine schwarze Kruste und geht ein. Reinhard Kaiser-Mühlecker entlarvt die bäuerlichen Versatzstücke, aus denen oft eine schräge Idylle gezimmert. Die moderne Landwirtschaft ist ein vernetztes Betriebssystem, das pragmatisch verwaltet werden muss. Der romantische Typ hat auch auf dem weiten Land ausgedient. Erschwerend kommt hinzu, dass die Familienbeziehungen auf dem entlegenen Hof leicht eskalieren. So sind Auswandern, Totschlag oder Rekrutierung neuer Mitglieder über die Hormon-Börse oft der logische Ausweg, wenn das Leben wieder einmal alles verbockt. Als symbolische Geste für das abgeschlossene System zieht der wieder frei gelassene Totschlagbauer am Schluss eine Bibel aus dem Sakko, legt ohne darin zu lesen die Hand drauf und meint, es sei alles in Ordnung, denn es habe ein Ende. Helmuth Schönauer


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Personen: Kaiser-Mühlecker, Reinhard

Interessenkreis: Österreichische Autoren

DR Kai

Kaiser-Mühlecker, Reinhard:
Schwarzer Flieder : Roman / Reinhard Kaiser-Mühlecker. - Hamburg : Hoffmann und Campe, 2014. - 236 S.
ISBN 978-3-455-40470-8 fest geb. : ca. Eur 19,60

Zugangsnummer: 0023269001 - Barcode: 01024737
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