Held, Annegret
Apollonia ; der Zimmerplatz
Buch: Romane, Erzähl

Atmosphärisch starke Familiensaga aus dem Westerwald. (DR) Ein kleines Dorf im Westerwald in den späten 1970er Jahren: Die 16-jährige Marie hat sich ein Notizbuch gekauft, um darin das Leben der geliebten Großmutter Apollonia zu verewigen, deren Gesundheitszustand sich nach einer Operation ständig verschlechtert. Als junges Mädchen zählte Apollonia zu den schönsten im Dorf. Die Aufforderung "Dou musst dich rarmache!" hat sie so lange beherzigt, bis sie als "spätes Mädchen" nehmen musste, was übrig blieb. Und das ist Klemens, der jüngste der Zimmermannssöhne, der zwar mit seiner schönen Stimme bezaubern kann, aber sich als ausgesprochen arbeitsscheu und als Querschädel erweist, der das letzte Geld lieber in die Kneipe trägt, was ihm allerdings Dresche von seiner wehrhaften Frau einbringt. "Eysch hun ein böses Weib!à Sie ranzt mir das Fell!", gesteht Klemens freimütig seinen Saufkumpanen. In den 1930er Jahren machen sich auch in dem fiktiven Dorf Scholmerbach die Nazis breit. Viele Dorfbewohner erhoffen sich davon Arbeit und Wohlstand, nur wenige versuchen, sich von der neuen Ideologie zu distanzieren. Ich-Erzählerin Marie selbst ist kein Kind von Traurigkeit. Ihr gefällt es in ihrem Dorf mit den Wiesen, Büschen und Bäumen und sie geht gern mit ihren Freundinnen in die Dorfkneipe. Hier lernt sie den amerikanischen Soldaten Jim kennen, der in der Nähe stationiert ist. Mit ihm durchlebt sie einen Sommer voll Schwärmerei, aber auch voller Zweifel. Da Annegret Held stets über Themen schreibt, die ihren eigenen Erfahrungen entsprechen, kann man davon ausgehen, dass vieles in dem neuen Roman autobiografisch ist, denn auch sie ist in einem kleinen Dorf im Westerwald aufgewachsen. Und so gerät die neue Geschichte wieder ausgesprochen authentisch und kraftvoll, sodass man von der ersten Seite weg gefangengenommen wird von den eigenwilligen, sehr glaubwürdigen Charakteren. Annegret Held hat den Menschen stets "aufs Maul geschaut", weshalb die meisten Dialoge im Dialekt der Westerwälder geschrieben sind. Der ist glücklicherweise nicht schwer zu verstehen, sondern sorgt zusätzlich für Authentizität. In "Apollonia" gibt es weder außergewöhnliche Helden noch besonders durchtriebene Schurken, sie beschreibt keine herausragenden Schicksale. Doch gerade das bietet viel Platz für Identifikation mit den verschiedenen Personen, bei denen man sofort spürt, dass sie der Autorin am Herzen liegen. Trotzdem wird nichts beschönigt, Dinge werden beim Namen genannt - außer das "Untenrum", mit dem gewisse Vorgänge in der unteren Körperhälfte bezeichnet werden. Helds unverwechselbarer Stil, teils ruppig direkt, aber immer warmherzig und voll subtilem Humor, lässt an sich einfache Geschichten zu einem besonderen Leseerlebnis werden. Allen Bibliotheken sehr zu empfehlen.


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Personen: Held, Annegret

DR Hel

Held, Annegret:
Apollonia : ; der Zimmerplatz / Annegret Held. - Orig.-Ausg. - Köln : Eichborn, 2012. - 380 S.
ISBN 978-3-8479-0507-3 fest geb. : ca. EUR 20,60

Zugangsnummer: 0003111001 - Barcode: 41069103
Romane, Erzählungen und Novellen - Buch: Romane, Erzähl