Reflexionen über die Problematik des Übersetzens und über die Vergänglichkeit, die sich in der Wildnis verlassener Orte zeigt. (DR) Die Ich-Erzählerin hat sich in der dunklen Vorweihnachtszeit aus Paris nach Dresden zurückgezogen, um dort ungestört Virginia Woolfs sprachlich komplexen Roman "To the Lighthouse" aus dem Englischen ins Französische zu übersetzen. Den Schreibstil Woolfs, der nicht die Handlungen schildert, sondern die dabei aufkommenden Gefühle der Figuren, wendet auch die Übersetzerin an, wenn sie die mühsame Arbeit des Übertragens in eine andere Sprache darstellt. Markante Passagen aus dem Meisterwerk "Die Fahrt zum Leuchtturm" (so der deutsche Titel) werden im Original zitiert und verschiedene Varianten einer möglichen Übersetzung angefügt. Dabei werden diffizile Probleme diskutiert, die sich um die Bedeutung der Wortarten, der Zeichensetzung und der grammatikalischen Besonderheiten drehen. In sogenannten "Zwischenspielen" verweist die Ich-Person auf verwilderte Orte: auf den verlassenen Pier 54 an der High Line in New York, an dem 1912 die Geretteten der untergegangenen Titanic angekommen sind, oder auf die "verbotene Zone" in Prypjat bei Tschernobyl, die heute für Forscher zu einem interessanten Experimentierfeld geworden ist und Touristen anlockt. Wie verändern sich die Vegetation und die Tierwelt sowie die Spuren der menschlichen Zivilisation, wenn man sie in Ruhe lässt und der "Zahn der Zeit" an ihnen nagt? Die Lektüre ist nicht leicht, aber sie fasziniert, sofern man bereit ist, sich auf die Sprachreflexionen und das Sich-Einfühlen in Virginia Woolfs grandioses Werk einzulassen.
Personen: Weber, Anne Wajsbrot, Cécile
Wajsbrot, Cécile:
Nevermore : Roman / Cécile Wajsbrot. Aus dem Franz. übers. von Anne Weber. - Göttingen : Wallstein Verlag, 2021. - 228 S. - Aus dem Französischen
ISBN 978-3-8353-5069-4 fest geb. : EUR 21.00
Schöne Literatur - Signatur: Wajsb - Buch