Mirjam Presslers erfolgreiches Debüt und ihre "Herzensgeschichte" gelesen von der erfolgreichen Hörbuchsprecherin Eva Gosciejewicz. Zwei zerbrechliche Mädchen - die eine zu dick, die andere in Familie und Schule ungewollt - kämpfen sich durch alle Widerlichkeiten, bis soweit sind, dass wenigstens die Zukunft hoffnungsvoll scheint. Zwei besondere Mutmachbücher. (ab 11) Rezension: Seit 25 Jahren schreibt Mirjam Pressler Jugendbücher und seit 25 Jahren gehört sie zu den wichtigsten AutorInnen. Ihren Debütroman "Bitterschokolade" gibt es jetzt erstmals zu hören: im ersten verlagseigenen Hörbuch-Programm von Beltz & Gelberg. Zuletzt im Hörbuchverlag erschienen ist die "Herzensgeschichte" der Autorin: "Novemberkatzen". Beide sind leicht gekürzt, von Pressler autorisiert und werden gelesen von der Modedesignerin und Schauspielerin Eva Gosciejewicz, die schon andere Romane derselben Autorin gelesen hat, so auch "Malka Mai", das "Hörbuch des Jahres 2002". Und sie macht das sehr gut! Vielleicht ist es genau die Stimme, die zu Presslers Büchern passt: leicht melancholisch, dabei aber bestimmt und gleichzeitig leicht über dem Text schwebend. Sie verleiht den beiden Protagonistinnen, der 15-jährigen Eva und der 9-jährigen Ilse, die Zerbrechlichkeit, die ihnen eingeschrieben ist. Sie beide fühlen oder wissen sich ungeliebt und kämpfen sich trotzig durch alle Widerlichkeiten. Eva ist dick. Fühlt sich dick und wird als dick gesehen. Dass aber ihre Ausgrenzung nicht primär auf ihrer Figur beruht, sondern von ihrer depressiven Selbstisolation herrührt, merkt sie erst am Ende, nach einer zarten Liebesgeschichte mit Michel, dem Arbeitersohn. Durch diese Beziehung, die zwar bald endet, da Michel zur See fährt, die aber viel länger dauert, als Eva sich das ausmalen konnte, erfährt sie, dass andere trotz der Fettschicht in sie hineinschauen können. Und es bahnt sich eine Freundschaft mit Franziska an, die neu zugezogen war und monatelang um Eva geworben hat, ohne dass die das gemerkt hätte. Bis dahin liegt aber ein sehr beschwerlicher Weg vor Eva: Sie muss sich gegen ihren autoritären Vater auflehnen, in der Schule endlich mal den Mund aufmachen - um zu bemerken, dass das, was sie sagt, gern gehört wird - und lernen, über ihre Gefühle zu sprechen. Erst als sie sich ihrer Mutter anvertraut und sich von ihr und ihrer Mahnung zur Unauffälligkeit löst, kann sie sowohl mit dem nächtlichen Fressen, als auch mit dem heimlichen, radikalen Hungern aufhören. Mit Franziskas Hilfe traut sie sich, eine Jeans und eine rosa Bluse zu tragen, in denen sie sich endlich "wie ein Sommertag" fühlt. Und sie resümiert: "Eigentlich geschah nichts Sichtbares. Und trotzdem war sie plötzlich die Eva, die sie sein wollte." Pressler gelingt schon in ihrem ersten Roman, für den sie 1986 mit dem Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet wurde, die LeserInnen an der Hand zu nehmen, sie durch ein Auf und Ab der Gefühle zu führen und dorthin zu bekommen, wo sie sie haben will: auf dem Weg zu mehr Selbstbewusstsein. Diese feinfühlige Erzählweise schafft sie auch in "Novemberkatzen". "Ilse Bilse, niemand willse", singen die Jungs auf der Straße, und ihre Mutter sagt: "Novemberkatzen taugen nichts". Sie meint damit nicht Ilse, sondern das Kätzchen, das Ilse auf dem Müll gefunden hat. Aber Ilse weiß, dass sie selbst als untauglich gilt und das Tier das Einzige ist, das sie für sich hat und doch verlieren wird. Jemanden, der sie liebt, gibt es nicht. Die Großmutter bevorzugt ihre Schwester, die Mutter ihre Brüder und hat außerdem genug Kummer mit ihrer neuen Schwangerschaft, der Vater ist schon lange weg und hat jetzt eine neue Frau und Tochter. In der Klasse wird sie gemobbt, vom Lehrer fallen gelassen, von den älteren Jungs misshandelt. Zwischendurch drängt sich der Gedanke auf: Wozu das lesen? Warum sich dieses Elend anhören? Aber die Eindringlichkeit der Schilderung verhindert, dass der Finger auf die Stopptaste drückt, und lässt zwei Gewissheiten wachsen: Solche wie Ilse, denen es wesentlich schlechter geht als uns, gibt es nicht wenige in unserer Gesellschaft. Und: dass Ilse es trotz allem schafft. Wie könnten wir da ans Aufgeben denken? *ag* Bruno Blume

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Personen: Pressler, Mirjam