Pamuntjak, Laksmi
Alle Farben rot Roman
Buch

Eine bewegende Liebesgeschichte zur Zeit des Auf- und Umbruchs in Indonesien während der letzten Jahrzehnte.


Rezension

Bei den heftigen Unruhen, die 1965 in der indonesischen Universitätsstadt Yogyakarta ausbrachen und bei denen das Militär eine große Versammlung auseinandertrieb, verloren sich Amba und Bhisma aus den Augen. Seither blieb Bhisma verschwunden. Niemand wusste, was ihm zugestoßen war, ob er noch lebte, ob er wie tausende Oppositionelle ohne Anklage und Urteil im Gefängnis saß oder in eine der Strafkolonien gebracht worden war. Eine kurze, leidenschaftliche Liebesbeziehung zwischen der jungen mit einem Lehrer verlobten Anglistikstudentin und dem um etliche Jahre älteren Arzt fand damals ein abruptes Ende und durchzog zugleich das weitere Leben von Amba, die von Bhisma schwanger war. Sie, die als "unnachgiebig, eigenwillig und immer wieder bezaubernd" beschrieben wird, löste die langjährige von den wohlmeinenden Eltern arrangierte Verlobung und brach den Kontakt mit ihrer Familie ab, weil sie ihr die Schande ersparen wollte. Schon wenig später heiratete Amba einen amerikanischen Wissenschaftler, der ihre schwierige Situation erkannte, sie verehrte und ihr eine gesicherte Zukunft bot. Der Roman beginnt im Jahr 2006, als die inzwischen verwitwete Amba sich von Jakarta zur Molukkeninsel Buru aufmacht, um dort nach ihrem einstigen Geliebten zu suchen. Durch einen anonymen Hinweis, den sie erhalten hatte, hofft sie, dort Spuren von Bhismas Leben finden zu können, zumindest aber zu verstehen, warum er 1979, als auf internationalen Druck hin die Strafkolonien aufgelöste wurden, er es vorzog dort zu bleiben. Eine mühsame, nicht ungefährliche Suchaktion beginnt für Amba und ihren Begleiter Zulfikar, der als politischer Häftling auf Buru war und Bhisma damals dort kennengelernt hatte. In Rückblenden entfaltet der Roman die Ereignisse und reflektiert die Gefühle der Protagonisten, erzählt vom unterschiedlichen sozialen Herkommen, den Bindungen und Einflüssen durch Traditionen in den Elternhäusern. Die politischen Geschehnisse der letzten Jahrzehnte und die komplizierte Landesgeschichte Indonesiens im Kampf um die Unabhängigkeit von den alten Kolonialmächten und den Machtkämpfen in einem Überwachungsstaat und von den Bemühungen, einen Demokratisierungsprozess anzustoßen, werden thematisiert. Neben althergebrachten Traditionen mit Mythen, Schamanen und Heilern, alten epischen Texten der eigenen Kultur ist die Jugend konfrontiert und fasziniert von der modernen westlichen Lyrik und neuen Lebensformen. So entsteht ein Spannungsfeld, das der Roman auch in Naturerlebnissen, kontrastreichen Licht- und Farbspielen in der bilderreichen indonesischen Sprache einfängt, die sich nur schwer im Deutschen nachzeichnen lässt.

Der Roman eröffnet einen Einblick in die Vielfalt und den kulturellen Reichtum der indonesischen Inselwelt, der zur weiteren Beschäftigung mit dem Land anregen wird.

Rezensent: Halgard Kuhn


Personen: Pamuntjak, Laksmi

Schlagwörter: Demokratie Identitätsfindung Bevölkerung Indonesische Republik

Pamuntjak, Laksmi:
Alle Farben rot : Roman / Laksmi Pamuntjak. Dt. von Martina Heinschke. - Berlin : Ullstein, 2015. - 670 S. ; 22 cm. - Aus d. Indones.
978-3-550-080886-9 geb. : EUR 24.00

Zugangsnummer: 2014/2030
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik, Sammlungen - Buch