Andreas, Petra
Das geflügelte Einhorn Ein fantastischer Roman
Buch

Der ewige Kampf von Gut gegen Böse.


Rezension

Lisanne und Nikanor, zwei Menschen aus unserer Welt, werden von einem geflügelten Einhorn aufgesucht, abgeholt und nach Mandanien, eine Fantasiewelt, gebracht. Dort nämlich ist Rettung vonnöten. Das Böse greift um sich, zerstört den Frieden und bringt Tod und Vernichtung. Viele Menschen des in Zeltdörfern friedlich lebenden Reitervolkes sterben. Der böse Ashardon hält einen Mandan in seiner Burg gefangen. Lisanne und Nikanor sind beauftragt, diesen zu befreien. Nachdem ihnen das gelungen ist, wird die Wiederherstellung des Friedens mit einem religiösen Ritual und mit einem großen Versöhnungsfest gefeiert, bevor die beiden wieder in ihrer Heimat aufwachen. Der Fantasy-Roman ist evangelischen Büchereien nicht zur Anschaffung zu empfehlen, da er sich nur für eine äußerst eingeschränkte Leser*innenschaft eignet. Mehrere Gründe kommen zusammen. Umfang: Das Buch ist zu langatmig und spricht allenfalls sehr ausdauernde Leser*innen an. Auf 574 eng gesetzten Seiten wird ein recht übersichtlicher, aber absehbarer Handlungsgang in breiter Ausführlichkeit entfaltet. Auch unwichtige vorbereitende Handlungen oder selbstverständliche Reaktionen der Handelnden werden bis in Details auserzählt. Das nimmt dem Roman Spannung und verlangt der Leser*innenschaft ein ungewöhnlich hohes Maß an Lesegeduld ab. Lenkung der Leser*in und der Figuren: Mit dem ausführlichen Erzählstil ist verbunden, dass nur wenig Leerstellen bleiben und die Leser*in eine weitgehend passive Rolle erhält. Einige Szenen und Darstellungen geben zwar Anregungen zur Imagination. In weiten Teilen werden aber Sachverhalte erläutert oder dargestellt, die sich zwangsläufig ergeben müssen oder aus dem Vorangehenden schon bekannt sind. So werden etwa Personen ausführlich über Geschehnisse aufgeklärt, die vorab erzählt wurden. Eine Leseaktivität, die darin besteht, verschiedene Handlungsmöglichkeiten zu durchdenken oder eigene Fragen aufzuwerfen, wird kaum zugemutet. Es bleibt die - insbesondere für jüngere Leser*innen anstrengende - Rolle des Nachvollzugs. Manche Passagen sind aufgrund ihres belehrenden Charakters, sei es zum Leben in Mandanien oder zu theologischen Bedeutungen, unattraktiv. Aber auch die Figuren selbst treffen kaum eigene Entscheidungen. Sie bewegen sich in einer klar definierten Hierarchie und tun das, was ihnen gesagt wird. Unstimmig ist, dass die beiden Protagonisten von den Mandanen einerseits als Helden gefeiert werden, andererseits aber einen geringen Eigenbeitrag zur Erlösung leisten. Indem sie alle nötigen Mittel und Instruktionen vom fast allmächtigen Einhorn erhalten, erscheinen sie eher als ferngesteuerte Marionetten. Warum Nikanor für die Aufgabe in Mandanien erwählt wird, bleibt undeutlich. Theologische Sprache und Glaubensaussagen: Das Buch lässt wenig Offenheit, was die Einstellung zum Glauben oder zu einem personalen Gott betrifft. So wird Gott in Mandanien zwar zumindest überwiegend metaphorisch als "das Licht" bezeichnet, aber oft personal gebraucht ("das Licht sorgt für uns" o. ä.). Auch der Einbezug von Bibelstellen, teilweise überzeugend umgesetzt, setzt eine gewisse Aufgeschlossenheit gegenüber der Kraft biblischer Worte voraus. Die Theodizeefrage wird von außen an die Erzählung herangetragen. Gerade in Fantasiewelten ist es erwartbar, dass das Böse auftaucht und gegenüber dem Guten (begrenzte) Macht hat. Mit Ashardon wird sogar eine personifizierte Ursache des Bösen eingeführt. Der ausführlich dargestellte Umgang der Figuren mit der Frage nach dem "Warum" liegt daher ebenso wenig wie die Frage nach der Schuld der Mandanen erzählerisch nahe. Dadurch werden ein solches Bewusstsein und das Sich-Einlassen auf eine unbefangene Rede von Gott bei der Leser*innenschaft implizit vorausgesetzt. Insgesamt profitieren nur Leser*innen, die die nötige Frömmigkeit mitbringen und sich nicht an der religiösen Sprache und Denkweise stoßen. Der Roman ist von einer erblindeten Pastorin verfasst und eindeutig autobiografisch beeinflusst. Dass hier zweifellos gewichtige Lebensfragen der Autorin erzählerisch bewältigt werden, ist in gewisser Hinsicht berührend. Allerdings dürfte ein nur sehr eingeschränkter Adressatenkreis diese Wertigkeit teilen und sich von dem Roman hinreichend angesprochen fühlen.

Rezensent: Rainer Merkel

Personen: Andreas, Petra

Andreas, Petra:
Das geflügelte Einhorn : Ein fantastischer Roman / Petra Andreas. - Cuxhaven : Ed. Wortschatz, 2018. - 586 S. ; 21 cm
ISBN 978-3-943362-45-9 kt. : EUR 12.95

Zugangsnummer: 2014/6937
Erzählungen ab 13 Jahre - Signatur: Ju 3 And - Buch