Rezension
Alfred Irgang ist ein Sammler. Er durchstreift die Stadt auf der Suche nach Weggeworfenem. Alles wird sorgfältig beschriftet und nach seinem "emotionalen und ästhetischen Ordnungsprinzip" gestapelt, vom leeren Joghurtbecher bis zu in Streichholzschachteln aufbewahrten toten Kakerlaken. Differenzieren kann oder will er nicht, alles bedeutet ihm gleich viel. Zwischen seinen Müllwänden ist er glücklich. Der wöchentliche Stammtisch ist der scheinbar geordnete Gegenpol. Irgangs Stammtischfreunde sind mit ihren sprechenden Namen satirisch-eindimensional auf eine bestimmte Funktion festgelegt. Die Schriftstellerin Dora Stein protokolliert das Geschehen emotionslos nach literarischen Gesichtspunkten, der Galerist Bosart begegnet Irgang unter dem Aspekt von Kunst und Kommerz. Die Sozialarbeiterin Uta Aufbau treibt mit ihrem Helfersyndrom alle an, Irgang als Störfaktor der Ordnung wieder in ein "normales" Leben einzugliedern. Doch die gut gemeinte Wohnungsentrümpelung führt zur Katastrophe. Verstört bleiben die Leser zurück. Ihre Sympathie gilt dem schrägen Außenseiter, und es stellt sich die Frage, wie viel Abweichung vom "Normalen" wir tolerieren können.
Personen: Grill, Evelyn
Grill, Evelyn:
Der Sammler : Roman / Evelyn Grill. - 1. Aufl. - St. Pölten : Residenz, 2006. - 240 S. ; 19 cm
ISBN 978-3-7017-1442-1 geb. : EUR 19.90
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik, Sammlungen - Signatur: Gri - Buch