Die Eroberung der Villa Herbstgold
Buch

Autorin und Illustratorin haben für ihr Bilderbuch (Genre Erzählbilderbuch) das Thema Begegnung zwischen Kindern und Senioren gewählt und erzählen von einem Ausflug in die Villa Herbstgold. Die Projektwoche der Igelgruppe (Kita) thematisiert Märchen und übt "Hänsel und Gretel" als Aufführung. Sechs Kinder und zwei Betreuerinnen begeben sich zur Villa Herbstgold. Während sich die beiden Erzieherinnen lange mit der Heimleiterin unterhalten, werden die Kinder ungeduldig. Sie schleichen sich unbemerkt davon und besuchen auf eigene Faust einzelne Heimbewohner in deren Zimmern und im Garten, wo schließlich die Aufführung stattfindet.


Rezension

Bewertung des Inhalts Das Bilderbuch weist weder in Text noch in Illustration eine hohe ästhetische Qualität auf. Die Gestalterinnen versuchen, Kinder in Bild und Text zu imitieren, um das Buch kindgemäß erscheinen zu lassen. Die langen, eher einfältigen Texte leiden auffallend unter ständigem Tempuswechsel (Präsens, Perfekt, Imperfekt) und künstlich-salopper Umgangssprache. Der Text der kleinen Ich-Erzählerin imitiert lediglich kindliche Formulierungen; es geht nicht um originalgetreue, alterstypische Ausdrucksweise. Die Senioren werden durchgängig als skurrile "Opas" und "Omas" dargestellt. Durch die thematische Verknüpfung von Märchen und Seniorenheim-Besuch wird sofort vermutet, es könnte dort auch eine Hexe angetroffen werden. Dieser Gedanke wird Seite für Seite wieder angesprochen. Dabei können Kinder in diesem Alter hervorragend unterscheiden zwischen Fiktion und Realität. Leslies Opa wird zuerst aufgesucht. Er kann ja keine Hexe sein. Er hat ein Holzbein, das er zusammen mit den Kindern anlegt. Im nächsten Zimmer treffen sie auf eine langhaarige Frau, deren "Hexenzähne" noch in einem Wasserglas liegen, schnell eingesetzt und wieder aus dem Mund genommen werden, damit sie zusammen mit den Kindern geputzt werden können. Danach wird Frau Ursina mit einer überdimensioniert lange Nase (mit Warze darauf) aufgesucht, die eingesteht, tagsüber Windeln tragen zu müssen. Ihr Kichern klingt wie "Hexenkichern", das allerdings schnell vergessen wird, weil sie ein Geheimversteck verrät, aus dem sich die Kinder bedienen dürfen. Frau Ursina hortet im Klavier Süßigkeiten. Zischende und stöhnende Geräusche kommen aus Yusefs Zimmer: Er angelt mit langer Rute im Aquarium. Im Garten kutschiert Kind Ferdinand mit großem Schwung eine Rollstuhlfahrerin durchs Gelände. Ihr sieht man sofort an, "dass sie keine Hexe ist". Als die besorgten Erzieherinnen ihre Zöglinge im Garten endlich wiederfinden, startet die Märchenaufführung, bei der eine Frau ermahnt werden muss, weil sie mit Bonbonpapier knistert, Frau Ursina laut rülpsen muss und Yusefs Angel sich in den Haaren der Erzieherin verfängt. Nach wildem Applaus wird der Heimweg angetreten, obwohl man noch nicht herausgefunden hat, "wer die Hexe in der Villa Herbstgold ist". Zur Illustration Es handelt sich um doppelseitige farbige Gestaltung. Frosch- und Vogelperspektive werden wenig gekonnt imitierend eingesetzt, statt den Bildraum damit ordnend zu strukturieren. Dem Betrachter begegnen Kinder mit überdimensionierten Köpfen, die i.d. R. auf halslosen Körpern sitzen. Die Augen erinnern an Glasaugen à la Stofftier. Aus unproportionierten Ärmelchen ragen eher rosafarbene, wenig differenzierte, fünfzinkige Krallen statt Hände hervor. Wer illustrieren möchte, sollte wirklich zeichnen und malen können; ob das gelingt, ist besonders an der Gestaltung von Gesicht, mehr noch von Händen ablesbar, wobei nicht unbedingt Naturgetreues erwartet wird. Alle Menschen werden als Karikaturen präsentiert, was wohl witzig wirken soll, jedoch nichts mit vorbildhafter Kinderbuch-Illustration zu tun hat. Zum Verhältnis Bild / Text Bild und Text sind nicht durchgängig koordiniert. Es wird manches berichtet, was nicht zu sehen ist und umgekehrt Bildhaftes dargestellt, was nicht kommentiert wird. Einig sind sich Autorin und Illustratorin offenbar in der Annahme, ein lustiges Buch über ein aktuelles Thema gestaltet zu haben, das Kinder und erwachsene VorleserInnen ansprechen könnte. Der "Spaß" geht allerdings zu Lasten der Senioren. Die Intention .wird nicht eingelöst, weil die beiden Gestalterinnen i h r e Vorstellungen bzw. Defizite von generationsübergreifendem Zusammenleben offenbaren. Sie missverstehen kindgemäß als "kindertümelnd" und haben möglicherweise keine Ahnung von der in diesem Bereich seit Jahrzehnten praktizierten Realität.

Die Beurteilung kann nicht positiv ausfallen, weil bei genauerem Hinsehen Takt- und Empathielosigkeit, Indiskretion, Respekt- und Würdelosigkeit zu Tage gefördert werden: m.E. ein peinliches Buch, das nicht in Kinderhände geraten sollte! Die Thematik ist wichtig. Für die Generationen-Projekte (z.B. Besuche von Kita-Kindern im Seniorenheim und umg

Rezensent: Margot Rickers

Personen: Weikert, Claudia Höfler, Stefanie

Die Eroberung der Villa Herbstgold / Stefanie Höfler. Ill. von Claudia Weikert. - Weinheim : Beltz & Gelberg, 2022. - O. Pag. : überw. Ill. ; 28 cm
ISBN 978-3-407-75631-2 geb. : EUR 13.00

Zugangsnummer: 2015/1272
Buch