Hurt, Benno
Eine Reise ans Meer Roman
Buch

Ende der 50er Jahre machen sich zwei junge Männer aus Süddeutschland auf nach Italien.


Rezension

Kürren (Regensburg) in den 50er Jahren: Der Ich-Erzähler Michael, angehender Abiturient, und sein Freund Eugen, der sich nach dem Schulabbruch als Vertreter für Topf-Sets versucht, wollen die Kleinstadt hinter sich lassen und den sonnigen Süden erobern. Sie brechen mit dem Zweitwagen von Michaels Vater auf und landen auf einem Campingplatz in der Nähe des Wörthersees. Dort bleibt Eugen wegen zu viel genossener Knackwürste in der liebevollen Obhut eines sauerländischen Ehepaars zurück. Michael kommt bis kurz vor die italienische Grenze, wo für ihn der Süden in der Eisdiele "Gelati Madonna" bei einer umwerfenden Frau beginnt. Nach einer mit Bauchschmerzen und Schlafmittel verbrachten Nacht mit ihr macht er sich auf den Rückweg und nimmt auch Eugen wieder mit. - So weit die Handlung der Geschichte, die allerdings nur den Rahmen abgibt für die Darstellung der Verhältnisse in den 50er Jahren in Deutschland: Michaels Vater war während des Dritten Reichs zweiter Bürgermeister von Kürren und ist nach dem Krieg ein angesehener Anwalt, dessen Klienten größtenteils Altnazis sind. Er ist in der HiaG (Hilfsgemeinschaft für Angehörige der ehemaligen Waffen-SS) engagiert und hat ein Verhältnis mit einer Oberst-Witwe. (Zitat: "Ihr Verstorbener hatte Gardemaße ... rein nordisch." S. 40). Michael möchte zwar nicht ein Leben wie sein Vater führen, distanziert sich aber auch nicht von ihm. Eugen hat sein Jugendzimmer in einen "Führerbunker" verwandelt, in dem er unter anderem Helme sammelt (Zitat: "der deutsche Stahlhelm ... zuverlässig wie seine Krieger" S. 21) und auf einem Tapeziertisch Landkarten, auf denen der Erste und der Zweite Weltkrieg ihren immerwährenden Verlauf nehmen. Die beiden Freunde trinken ihr Bier in einer alten Halle, in der ein über drei Meter hoher Reichsadler eingelagert ist, der Zitat: "sich schuldig gemacht hatte, weil er ein Hakenkreuz in den Krallen hielt" (S. 26.) Michael fühlt sich wie in einem Gotteshaus! Die Freunde treffen sich oft abends unter einer Donaubrücke. (Zitat: "Sie hatte vor dem Krieg "Adolf-Hitler-Brücke" geheißen und musste sich jetzt Nibelungenbrücke nennen." S. 23) Michael, der Ich-Erzähler, lebt recht unreflektiert in diesem braunen Mief. Der Autor wollte offensichtlich die Nachwirkungen des Dritten Reichs bis in die Gesellschaft der späten 50er Jahre darstellen, die sich in allen Gesellschaftsschichten unter alten und auch jungen Menschen erhalten haben. Er tut dies allerdings in einer sehr undistanzierten Art und Weise. Man glaubt beinahe, die Umbenennung der Brücke bedauern zu müssen.

Dieses Buch ist aus vorgenannten Gründen für evangelische Büchereien nicht empfehlenswert!

Rezensent: Luise Rohrhirsch


Personen: Hurt, Benno

Schlagwörter: Vergangenheitsbewältigung 1950er-Jahre

Hurt, Benno:
Eine Reise ans Meer : Roman / Benno Hurt. - München : Dt. Taschenbuch Verl., 2007. - 177 S. ; 21 cm. - (dtv premium ; 24592)
ISBN 978-3-423-24592-0 kt. : EUR 14.00

Zugangsnummer: 0002/2205
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik, Sammlungen - Buch