Hermann, Judith
Wir hätten uns alles gesaght Roman
Buch

Wie hängen Leben und Schreiben zusammen, das ent- und verhüllt die Autorin mit ihren Frankfurter Poetikvorlesungen.


Rezension

Wer jetzt eine poetologische Abhandlung erwartet, wird mit prallen Geschichten aus dem Leben, geschrieben im unverwechselbaren Judith Hermann Stil, überrascht. Wie sie selbst schreibt, ist "unerwartet Privates im Text aufgetaucht". Die drei Abschnitte des Buches lassen sich keinem klaren Genre zuordnen, sie erzählen von der zufälligen Begegnung mit ihrem ehemaligen Psychoanalytiker, aus der sich ein nächtliches Kneipengespräch entwickelt. Rückblickend vergleicht sie die Analyse mit ihrem Schreibprozess, hier wie dort wird das Eigentliche im Gesagten verborgen. Jede Erzählung beginnt mit einem Satz, den die Autorin im Kopf hat, der aber nie im Text auftaucht. So spannen sich die Geschichten von der Kindheit in einer ungewöhnlichen, durch die psychische Krankheit des Vaters und eine distanzierte Mutter belasteten Familie, über langjährige Freundschaften und die gemeinsam verbrachten Sommer im Haus an der See bis zu kreativen Begegnungen in der eigentlich einsamen Zeit der Pandemie. Besonders berührend die Szene, als der Vater in einem Lokal um Mitternacht ihren Geburtstag zelebriert.

Judith Hermann-Fans dürfen gespannt sein, wie es nach diesen "Enthüllungen" mit dem Schreiben weitergeht. Für alle Freundinnen der Gegenwartsliteratur empfohlen.

Rezensent: Gabriele Kassenbrock


Personen: Hermann, Judith

Schlagwörter: Familie Kindheit Pandemie

Hermann, Judith:
Wir hätten uns alles gesaght : Roman / Judith Hermann. - Frankfurt am Main : S. Fischer, 2023. - 186 S. ; 21 cm
ISBN 978-3-10-397510-9 geb. : EUR 23.00

Zugangsnummer: 2015/3012
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik, Sammlungen - Signatur: Her - Buch