Alles beginnt mit der Stille einer textlosen Seite. Friedlich schlummert eine menschliche Figur unter einer wohligen Decke aus schneebedeckten Hügeln. Wir lüften die Decke, öffnen eine Klappe: „Meine Freundin Erde erwacht aus dem Winterschlaf.“ Die Personifikation von „Mutter Erde“ begibt sich auf Reisen. Sie bewegt sich über Kontinente sowie durch die Jahreszeiten. Natur im Wandel des Jahres allegorisch darzustellen, gelingt den beiden Künstlerinnen insofern, als dass sie der Poesie dieses Moments freien Lauf lassen. Francesca Sanna greift dabei jedoch den allzu schmuckhaften Text Patricia MacLachlans fast wortwörtlich auf, lässt ihre Bilder im selben Ton mitschwingen, anstatt mit den Worten in Dialog zu treten. Wenn Freundin Erde auf „das glitzernde Eis, wo der kleine Eisbär trotz allem keine kalten Füße hat“ tritt, zeigen die Illustrationen das Zusammentreffen des Erdenkindes mit einem viel zu weich gezeichneten Eisbärenjungen am Wasserloch einer Eisscholle. – Allerspätestens in diesem Moment der Lektüre durchdringen reale Gedanken an zerstörte Lebensräume und bedrohte Tierarten diese fiktive Schöneweltfantasie. Eine Frage drängt sich auf: Wie ernst nimmt diese Geschichte ihre Zielgruppe? Während weltweit auch Kinder auf den Straßen ihre Stimmen für umweltpolitische Veränderungen erheben und sich dabei realen Bedrohungsszenarien in Form von Naturkatastrophen sehr bewusst sind, „rettet“ die Figur im Bilderbuch unbekümmert überflutete Inseln. „Manchmal gießt sie zu viel Regen, der Städte und Wiesen und Straßen überschwemmt. Dann trocknet sie das Land.“ Auf diese Eigenart metaphorischen Schönredens muss hingewiesen werden, auf den ins Unglaubwürdige enthobenen Sanftmut ebenso. Dabei sei jedoch die optisch gelungene sowie erzählerisch stimmige Buchgestaltung in Form klug gesetzter Lasercuts und Klappen hervorgehoben. Während Freundin Erde mit einer Zebraherde reitet, spüre ich den Wind in den Haaren, die Ausstanzung dieser Doppelseite lenkt meine Blicke in Richtung der darauf folgenden Hügel der Prärie. Ohne das Wind-in-den-Haaren-Gefühl schmälern zu wollen, bleibt aber am Ende doch zu vieles unausgesprochen. Hier wird in einer Ecke Stille provoziert, in der weiterhin lautstarker Protest vonnöten ist.

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Personen: MacLachlan, Patricia Sanna, Francesca Bodmer, Thomas

Schlagwörter: Antolin Klasse-2