Ulitzkaja, Ljudmila
Jakobsleiter Roman
Buch: Belletristik

Überzeugender Familien- und Gesellschaftsroman mit autobiografischen Zügen. (DR) "Deine Rezension (...) habe ich gelesen. Ich hätte mir eine ausführlichere Beschreibung des Buches gewünscht. Eine Rezension führt selten dazu, dass ein Buch gelesen wird, häufig ersetzt sie das Buch und sollte darum ausführlicher sein", schreibt Jakow aus der sibirischen Verbannung an seine Lebensliebe Marussja. (S. 439f) Bisweilen hat Jakow mit seiner Behauptung durchaus Recht, das wissen vor allem BibliothekarInnen. Allerdings dürfte es dann für das jüngste Werk der mehrfach ausgezeichneten Autorin überhaupt keine Buchbesprechung geben ... zu schade wäre es nämlich, diesen autobiografisch gefärbten Roman nicht selbst zu lesen! Zumal es ein Ding der Unmöglichkeit ist, ihm mit einer Rezension auch nur in Ansätzen gerecht zu werden. Auf knapp 600 Seiten eröffnet sich ein Universum, das die LeserInnen nicht zuletzt ob der großen Bandbreite an fundiertem Wissen staunen lässt: Ob Theater, Literatur, Musik, Philosophie, Evolution, Computertechnik und scheinbar ganz selbstverständlich die Zeitläufte der russischen Geschichte des 20. Jahrhunderts und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft - aus der Sicht mehrerer Generationen einer Familie entwickelt sich ein vielschichtiger Roman, der nachhaltige Spuren in der Lesebiografie hinterlassen kann. Einer der beiden großen Erzählstränge folgt dem komplizierten Leben der Bühnenbildnerin Nora, die an ihrem Sohn Jurik und dessen Anderssein ebenso wächst wie an ihrer jahrzehntelangen beruflichen und privaten On-Off-Verbindung mit einem Regisseur. Nach langem Zögern wagt sie sich daran, die Tagebuchnotizen und Briefe ihres Großvaters Jakow zu lesen, der als angeblicher Volksfeind für einen großen Teil seines Lebens nach Sibirien verbannt worden ist. Mit der musisch begabten Marussja verbindet ihn von Anfang an ein intensiver und freimütiger Briefwechsel auf intellektuell hohem Niveau, später auch ein gemeinsamer Sohn, der seinen Vater jedoch als "Schädling" verachtet. Aber "Briefmarken halten keine Ehe zusammen", wie sich Jakow mehrmals in seinen Briefen ausdrückt. Als Marussja nach über 20 Jahren die Fernscheidung einreicht, hat sich das Paar nicht zuletzt auch ideologisch in konträre Richtungen entwickelt. Wie nah sich Ulitzkaja mit diesem Buch an der tragischen Liebes- und Lebensgeschichte ihres Großvaters und an ihrem eigenen Leben bewegt, was nun tatsächlich "wahr" ist oder nicht, ist letztendlich zweitrangig. Es gibt wohl kaum einen Roman, der einen derart einprägsamen und gut lesbaren Bogen von der russischen Revolution bis ins 21. Jahrhundert spannen kann. - Wärmste Empfehlung für alle Bibliotheken und LeserInnen, die etwas Ausdauer für absolut lohnende Lektüre aufbringen.


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Personen: Ulitzkaja, Ljudmila Braungardt, Ganna-Maria

Ulitzkaja, Ljudmila:
Jakobsleiter : Roman / Ljudmila Ulitzkaja. Aus dem Russ. von Ganna-Maria Braungardt. - München : Carl Hanser, 2017. - 603 S. >Lestniza Jakova< dt.
ISBN 978-3-446-25653-8 fest geb. : € 26,80

Zugangsnummer: 0010039001 - Barcode: 2000100858
Romane, Erzählungen und Novellen - Signatur: DR Ulit - Buch: Belletristik