Anderson, Sophie
Marinka die Reise nach Dazwischen
Kinder- und Jugendbelletristik

Mein Haus hat Hühnerbeine. Mehrmals im Jahr steht es mitten in der Nacht plötzlich auf und verlässt den Ort, der bis dahin unser Zuhause war. So beginnt Marinka die Erzählung über ihr Leben. Und wer meint, er hätte es mit einer Ich-Erzählerin zu tun, die mit einer übergroßen Vorstellungsgabe ausgestattet ist, der irrt. Die eigenartige Behausung Marinkas ist ihre fiktive Realität. Ihr Haus ist lebendig – und ein wenig unberechenbar. Vor allem nimmt es keine Rücksicht auf die Sehnsucht des Mädchens, nicht nur in ihren vier Wänden, sondern in einer Landschaft Heimat zu finden. Wer ständig unterwegs ist, lernt die unterschiedlichsten Weltgegenden kennen, ist aber in keiner verwurzelt. Schließt da und dort Bekanntschaften, aber kaum Freundschaft. Dass Marinka in diesem seltsamen Haus auf Hühnerbeinen lebt, hat mit ihrer Großmutter zu tun, die eine Baba Jaga ist. In der slawischen, vor allem russischen Mythologie und Märchenwelt ist diese alte Frau eine bekannte Figur, die in unterschiedlichen Ausprägungen vorkommt und unterschiedliche Aufgaben hat. In Sophie Andersens Erzählung ist sie dazu da, Sterbende bzw. Verstorbene ins Jenseits zu begleiten. Sie ist die Hüterin des Tores zwischen Leben und Tod, sie weiß, was zu tun ist, um den Menschen einen guten Abschied von der Welt und ihrem Leben zu ermöglichen. Und Marinka soll diese Aufgabe übernehmen, die nächste Baba Jaga werden. Was tun, wenn man sich nicht abfinden will mit jener Rolle, die einem andere Menschen, das Schicksal zugedacht haben? Wenn man ein selbstbestimmtes Leben führen will? Das ist – neben der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Ritualen rund um den Tod – eine der zentralen Fragen dieses Buches. Das nicht nur an unterschiedlichen Erzähltraditionen und Genres partizipiert, sondern den LeserInnen auch eine emotionale Achterbahnfahrt beschert. Der amerikanischen Autorin ist insgesamt ein poetischer Text gelungen, der Lebensweisheit mit einem feinen Humor zusammenbringt. Dass Marinka am Ende mitsamt ihrem Haus mit den Hühnerbeinen glücklich werden, ihr Schicksal mit ihren eigenen Vorstellungen von einem gelingenden Leben zusammenbringen wird, daran lässt die Autorin von Anfang an wenig Zweifel. Zwar wird das so bewegliche Haus auch am Ende nicht sesshaft sein, aber die Ich-Erzählerin wird nicht nur einen Freund gefunden, sondern auch ihren Frieden mit ihrer Behausung und ihrem Leben gemacht haben: …immer, wenn es nötig ist, steht unser Haus mitten in der Nacht auf und trägt mich und die Alte Yaga, und manchmal sogar Benjamin und seinen Vater, an einen neuen Ort. Ich finde es herrlich, dass unser Haus Beine hat. Wir können überall zusammen hingehen.


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Personen: Anderson, Sophie Rak, Alexandra (Übers.) Maatsch, Katja (Übers.)

Schlagwörter: Tod Mädchen Großmutter Haus Heimatlosigkeit Jenseits Kinderbuch Nachfolge Nichtsesshaftigkeit Selbstbehauptung Selbstbestimmung Phantastische Erzählung Baba Jaga

Interessenkreis: ab 10 Jahren

Anderson, Sophie:
Marinka : die Reise nach Dazwischen / Sophie Anderson. Aus dem Engl. von Katja Maatsch und Alexandra Rak. - Dt. Erstausg., 1. Aufl. - Hamburg : Dressler, 2018. - 285 S. ¬The¬ House with Chicken Legs
ISBN 978-3-7915-0077-5 fest geb. : € 17,50

Zugangsnummer: 0009998001 - Barcode: 2000100445
Erzählungen und Romane - Signatur: JE Ande - Kinder- und Jugendbelletristik