Ingendaay, Paul
Warum du mich verlassen hast Roman
Buch

Auch auf einem katholischen Jungeninternat bleibt man von dem Einbrechen der Pubertät und all ihrer Nöte nicht verschont; das ist die wichtigste Lektion, die der 15-jährige Marko zu lernen hat. (ab 14) Rezension: Um Verlassenwerden geht es in Paul Ingendaays erstem Roman, für den er unter anderem den "aspekte"-Literaturpreis 2006 erhielt, gleich in mehrfacher Hinsicht. Marko fühlt sich im katholischen Jungeninternat, dem Collegium Aureum, ziemlich verlassen. Vor allem von seiner Schwester und seinen Eltern. Der 15-Jährige ahnt, dass letztere ihn und seinen jüngeren Bruder abgeschoben haben, um sich in Ruhe gegenseitig verlassen zu können. Und gerade in der Allgegenwart Gottes fühlt er sich auch von diesem verlassen, aber vielleicht verhält es sich auch genau umgekehrt, vielleicht hat Marko ja Gott verlassen. Lange bevor er wissen konnte, dass Bruder Gregor, der einzige, der mit seinen Gesprächen über Seneca, die Callas und Dostojewski Zugang zu Markos Innerstem hatte, ihn auch in gewisser Weise verlassen wird. Und auch das Warum im Titel ist bezeichnend für Marko. Er kann sich einfach nicht mit oberflächlichen Erklärungen zufrieden geben. Ihm reicht es nicht zu wissen, was die Menschen tun, er muss wissen, warum sie es tun. Gerade in dem Jahr, von dem der Roman erzählt, gibt es viel zu hinterfragen für Marko. Wären es nur seine Eltern und die rätselhafte Veränderung von Bruder Gregor ... Aber die Mädchen sind ein ganz eigenes Kapitel. Wahrscheinlich passiert im Internat nicht so viel wie man gemeinhin annimmt. Gelesen wird jedenfalls auch nach Törless und Holden Caulfield immer noch viel. Aber im Gegensatz zum süffisanten Understatement des letzteren wirkt Markos Leseliste etwas plakativ "anspruchsvoll" und lädt geradezu zu Rückschlüssen auf den Autor und dessen intertextuelle Gewandtheit ein. Und ein bisschen hat Markos Begeisterung für das Lesen auch den Effekt der Verbrüderung mit dem Leser. Doch ganz abgesehen davon dürften sich ohnehin auch Nicht-Internatsschüler und Leserinnen in den angesprochenen Themen wiederfinden; der Kampf mit den Regeln anderer und um den Sinn des Lebens, der Schule, von Liebe und sonstigen Beziehungen ist schließlich pubertäres Gemeingut. Die bemühte Mündlichkeit der Sprache, die sich im direkten Ansprechen der LeserInnen und in der häufigen Wiederholung von Phrasen äußert, beschert zwar Schmunzeln, trägt aber nicht unbedingt zur Authentizität der Figuren bei. Um Jugend auf den Punkt zu bringen, bedarf es nicht ausschließlich einer eingängigen Sprache und 499 mehr oder minder problembeladenen Seiten.


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Personen: Ingendaay, Paul

Ingen

Ingendaay, Paul:
Warum du mich verlassen hast : Roman / Paul Ingendaay. - München : SchirmerGraf, 2006. - 505 Seiten
ISBN 978-3-86555-025-5 fest geb. : ca. € 25,50

Zugangsnummer: 2017/0849 - Barcode: 2-1110341-5-00032590-5
Schöne Literatur - Buch