Wer war Louise Bourgeois? Dieser Frage widmet sich dieses ungewöhnliche Kunstbilderbuch, das wichtige Stationen im Leben der französisch-amerikanischen Bildhauerin (1911 bis 2010) aufgreift: die Kindheit am Fluss, an dem ihre Eltern eine Restaurationswerksatt für Tapisserien unterhalten, das Mathematikstudium an der Sorbonne, ihre Karriere als Künstlerin nach dem Tod der Mutter. Allzu viel erfährt man allerdings nicht über Leben und Werk der Louise Bourgeois – möglicherweise deshalb, weil sich der Text der Poesie stärker verschrieben hat als einer nachvollziehbaren biografischen Darstellung. Wenn man über die Künstlerin noch nie etwas gehört hat, wird man daher schnell aus dem Lesefluss geworfen. Allzu oft fehlt der logische Zusammenhang: Plötzlich ist das Mädchen eine junge Studentin und lebt in Paris, und von ihrem Umzug nach New York erfährt man ebenso wenig wie von ihrem Selbstmordversuch oder vom angespannten Verhältnis zu ihrem Vater, der die Mutter jahrelang betrogen und sie selbst als Mädchen geringgeschätzt hatte. Einzig eine „Anmerkung“ am Ende des Bilderbuchs gibt einen tieferen Einblick in ihr Leben und ihre Kunst und verankert so das Gelesene in der Realität. Überhaupt wirft der in handschriftartigen Großbuchstaben gestaltete Text viele Fragen auf. Wenn man nicht weiß, wie Tapisserien aussehen, was Kett- und Querfäden sind oder was Rentrayage bedeutet, tut man sich sehr schwer. Eine Weile dauert es auch, bis klar wird, dass rot markierte Satzteile Zitate sind (deren Quellen werden am Ende des Buches angegeben). Immer wieder holpert zudem der Text. „Das Wasser glättete und stärkte den Stoff, so dass er alle erdenklichen Farben annahm“, heißt es einmal. Wie Wasser Stoff stärken, damit er Farben annehmen kann, wissen wohl nur ausgebildete TapisseriereinigerInnen. Möglicherweise beruhen manche sprachlichen Ungereimtheiten auf der Übersetzung aus dem Englischen, der Text wurde recht frei übertragen. Möglicherweise aber geht es auch gar nicht so sehr um Verständnis von Louis Bourgeois und ihrer Kunst, sondern man sollte sich tragen lassen vom Motiv des Webens, das sich durch das Buch zieht – und bezaubern von Louises fast schon symbiotischer Beziehung zu ihrer Mutter: Nach deren Tod fertigt die Bildhauerin riesige Spinnen aus Bronze, Stahl und Marmor, die sie „Maman“ nennt und für die sie weltberühmt wird. Auf jeden Fall aber sollte man sehr viel schauen. Rot- und Blautöne dominieren die mit Tinte, Bleistift, Pastellkreide und Wasserfarben angefertigten und anschließend mit Photoshop bearbeiteten Illustrationen, die das Glanzstück dieses Buches darstellen. Die verträumten Bilder zeichnen einerseits verschiedene Stationen im Leben der Bildhauerin gegenständlich nach und spiegeln andererseits die Thematik des Nähens, Schneidens und Färbens in nahezu abstrakten, flächigen und ornamentalen Szenen. So entstehen wundersame, vielschichtige Bilderwelten, in denen sich ein Fluss in einen gestrichelten Gedankenstrom verwandelt oder sich gewebter Stoff zu fruchtbarem Gartenboden umformt. Die enge Verbindung von Mutter und Tochter bringen die Illustrationen dabei bezaubernd auf den Punkt: Einmal sind die beiden in weit ausschwingenden Röcken hinter einem Berg schwarzer Schafwolle zu sehen. Die sich von dort ausrollenden acht Wollknäuel erinnern nicht von ungefähr an die Beine einer Spinne. Denn wie hat es die Künstlerin einmal so schön gesagt? „Eine Spinne, deren Spinnwebe reißt, wird nicht wütend. Sie spinnt einfach neue Fäden.“

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Personen: Novesky, Amy

Schlagwörter: Antolin Klasse-4