Taschler, Judith W.
bleiben Roman
Buch

Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html); Autor: Elisabeth Zehetmayer; Liebesgeschichte, Gesellschaftsroman oder Psychodrama? Ein brillant erzählter, verhängnisvoller Beziehungsreigen abseits des Klischees. (DR) Wie ein vielteiliges Puzzle präsentiert sich dieser multiperspektivisch und auf verschiedenen Zeitebenen erzählte Roman der österreichischen Erfolgsautorin Judith W. Taschler, die 2014 für "Die Deutschlehrerin" mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet wurde. Ein Nachtzug nach Rom, drei Männer und eine Frau lernen sich in einem Abteil kennen. Eine schicksalhafte Begegnung für alle Beteiligten. "Aufgrund von Eiskugeln erfuhr ich von der Affäre meiner Frau", erzählt Rechtsanwalt Paul, einer der Reisenden von damals, zwanzig Jahre später einem nicht näher bezeichneten Gegenüber zu Beginn dieses fesselnden Romans. Weitere Gespräche der anderen Beteiligten folgen und unwillkürlich schlüpft man als LeserIn in die Rolle dieses jeweils angesprochenen "Du", Neugier und Interesse sind dank dieses erzählerischen Tricks sofort geweckt. Bald ist klar, die untreue Gattin ist keine Geringere als die damalige Reisegefährtin Juliane und der Geliebte einer der anderen beiden Zugfreunde, der lebenslustige Felix. Doch wie sind sich die beiden wieder begegnet und warum hat auch Paul Kontakt zu ihm? Welche Rolle nimmt der Vierte im Bunde, Max, ein? Jede Erzählerstimme bringt neue Facetten des Geschehens und der handelnden Personen zu Tage und wie bei dem Blick durch ein Kaleidoskop offenbart sich den LeserInnen jeweils ein anderes Bild der Vorkommnisse. Der Schein trügt, die Wahrheit liegt woanders als vermutet. Wohldosiert, mit viel Raffinesse und Logik bringt die Bestsellerautorin Licht in diese rätselhafte Geschichte über Liebe und Freundschaft, Schuld und Sterben, Schicksal und Zufall und verwebt darin geschickt unterschiedlichste Genreelemente. Dank überzeugender Charaktere und reichlich Stoff zum Nachdenken bleibt dieser in vielerlei Hinsicht überraschende Roman spannend bis zur letzten Seite - sehr empfehlenswert für alle Bestände und Literaturgesprächskreise. ---- Quelle: Pool Feuilleton; Bei Glanzstücken der Literatur löst ein einzelnes Wort beim Leser Verwunderung, Neugier und Sehnsucht aus. Bleiben. Wer muss blieben, bleibt was übrig, was wäre die Alternative? Judith W. Taschler fügt mit ungewöhnlichen Fragestellungen rund um das "bleiben" diverse Erinnerungen, Beziehungen und Zusammenhänge ineinander. Die einzelnen Helden gehen irgendwie auf einen literarischen Kaffee mit dem Leser und antworten auf seine Fragen, die dieser an sie wohl beim Lesen stellt. Im Mittelpunkt steht die Musikerin Juliane, die sich eines Tages als Fotosequenz einer Ausstellung entdeckt. Diesen künstlerischen Akt hat offensichtlich Max gesetzt, der nach einer Küchenlehre Maler geworden ist. Verheiratet ist Juliane mit dem Rechtsanwalt Paul, der sich nach seiner ersten eigenen Scheidung auf Scheidungen spezialisiert hat. Und die geheimnisvolle vierte Person im Kleeblatt ist Felix, der als Beruf und Schicksal Südtiroler angibt. "Irgendwie hängt alles zusammen in unserem Leben." (22) Lose zusammengeknüpft sind die Protagonisten durch eine Fahrt nach Rom mit dem Nachtzug, das ist beinahe ein Vierteljahrhundert her. Man hat sich damals unbeschwert über Geschichten und Lebenserwartungen ausgetauscht, so schwärmt Felix davon, wie er aus einer Notlage heraus vor der Australischen Küste einen kleinen Hai bekämpft, sich wie Hemingway fühlt, aber kein Messer zur Hand hat, um mit dem Hai was anzustellen. Angelesene Mythen und karikierte Abenteuer begleiten diese jungen Menschen auf der Suche nach dem Leben. Nach über zwanzig Jahren meldet sich dieses als scheinbar abgeklärtes Kartenhaus zurück, das jederzeit einstürzen kann. Für die wichtigsten Handgriffe gibt es jeweils eine handfeste Erzählung, die Helden haben gelernt, dass man ein Narrativ braucht, um etwas für sich selbst zu verbuchen, das man gerade getan hat. So schwebt gleich von Beginn weg eine Affäre oder eine seltsame Art von Ehebruch im Raum, als Paul einen Kunden besucht und an den flüchtig weggeräumten Essensresten erkennt, dass Juliane da gewesen sein muss. Als Leser wird man gleich angekratzt und verunsichert von dieser vagen Vermutung, aber als sich das Verdachtsbild aufklärt, glaubt man selbst an eine Verstörung. Juliane nämlich ist bekannt für ihre Erektionsnachspeisen, die sie mit Gelächter serviert und die als Jahrhundertarrangement aufgebaut sind. In diesem Hin und Her von Vertrauen, Vertrauensmissbrauch, Treue und Moral schiebt sich allmählich ein neuer Geselle ins Bild. Der Tod schaut ordentlich vorbei und gibt dem ganzen Regelwerk eine neue Komponente. Felix hat Krebs, und es macht einen Unterschied, ob man die vorherige Generation auf den Friedhof begleitet oder sich selbst in seiner Generationskohorte. Bleiben ist ein leichtfüßiger Roman, der schwerlastigen Themen durchaus Paroli bietet. Der Leser ist immer eingebunden mit dieser fragenden Art des Erzählens, nie kommt eine falsche Moral heraus, sondern der Zufall scheint jene Schaltzentrale zu sein, worin entschieden wird, wer bleibt und wer nicht. Bei Krisen hilft nur das Konzept des positiven Ausgleichs (72), sagt der Rechtsanwalt zu jenen Fällen, die aussichtslos sind. Helmuth Schönauer


Rezension


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Personen: Taschler, Judith W.

Taschler, Judith W.:
bleiben : Roman / Judith W. Taschler. - München : Droemer, 2016. - 252 S.
ISBN 978-3-426-28132-1 EUR 20.60

Zugangsnummer: 11665
Romane - Signatur: DR Tas - Buch