Geiger, Arno
Der alte König in seinem Exil
Buch

Quelle: Apropos. Straßenzeitung für Salzburg (http://www.apropos.or.at/); Autor: Christina Repolust; Arno Geiger, Jahrgang 1968, hat mit seinem Roman "Der alte König in seinem Exil" von seinem Vater, August Geiger, dem Erinnerungen und Worte allmählich abhanden kommen, erzählt. "Es ist, als würde ich dem Vater in Zeitlupe beim Verbluten zusehen. Das Leben sickert Tropfen für Tropfen aus ihm heraus." So also die literarische Beschreibung, der poetische Zugang zu den Veränderungen, die Alzheimer auslöst, bei den Erkrankten, bei den ihnen nahen Personen. Dazu noch die Vater-Sohn-Geschichte, eine Annäherung an dem Punkt, an dem Vater auf dem Weg ins Exil ist. Selbst das eigene Bett ist dem Vater nicht mehr vertraut, kein Ort, nirgends. Der Ton dieses Romans variiert, es ist die Verzweiflung des Sohnes und die Ohnmacht des Vaters zu hören, die Leit- und Erzählinstanz ist der Sohn, das Ich, das "ihn" beschreibt. Jürg Schubiger, Philosoph und Schriftsteller in Zürich, geht mit seiner Erzählung "Nicht schwindelfrei", der Verlag verpasst ihr den unpassenden Untertitel "Roman", einen Schritt weiter. Er verzichtet auf ein beobachtendes und beschreibendes Ich und konfrontiert die Leser und Leserinnen mit Paul, dem Namen entfallen, der Orte nicht wiedererkennt, seine Frau liebt, aber nicht immer weiß, wer diese Frau da neben ihm ist. "Die Erinnerung ist vielleicht nur ein Sonderfall des Vergessens." So denkt Paul, der immer häufiger die Tränen seiner Frau auf seinem Gesicht spürt. Schubiger skizziert Pauls Erinnerungen als "ein wenig defekt", gelegentlich geht noch ein Licht auf und beleuchtet einen Namen, dann will der Arbeitgeber wissen, wann wieder mit Paul zu rechnen sei. Paul fühlt sich wohl in den leeren Ausstellungsälen im Museum, seinem Arbeitsplatz, wo die Bilder schweigen und die Leute nur wenig sprechen. Sinnlichkeit, Erotik und Demenz sind hier in Sequenzen verwoben: Nicht mehr die Elterngeneration gilt es, neu kennenzulernen, sondern auch den Geliebten, der so offen für Neues ist, er bestaunt die kleinen Wunder des Alltags, das Vertraute hat er verloren, das Neue will er kennenlernen und manchmal lächelt er seinem eigenen Vergessen einfach zu. ---- Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html); Autor: Barbara Tumfart; Literarisches Kunstwerk über die zeitlose Würde des Menschen im Angesicht einer unheilbaren Krankheit. (BO) Sechs Jahre hat sich Arno Geiger nach eigenen Angaben Zeit genommen, um sein neuestes Buch, das die Demenzerkrankung seines mittlerweile 84-jährigen Vaters zum Thema hat, zu schreiben. Das Resultat ist einmal mehr ein literarisches Kleinod des Vorarlberger Schriftstellers und Deutschen Buchpreisträgers ("Es geht uns gut", 2005), eine einzigartige und berührende Mischung aus Biografie, persönlichen Lebenserinnerungen und Familiengeschichte, die neue Maßstäbe setzen wird. August Geiger, eines von zehn Kindern einer Kleinbauernfamilie in Wolfurt, muss mit 18 Jahren an die Ostfront und kommt mit 19 Jahren schwer traumatisiert aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Fortan beschließt er, die kleine Vorarlberger Heimatgemeinde nie mehr zu verlassen. In Rückblicken erzählt sein Sohn Arno bruchstückartig von den wichtigsten Lebensstationen des bescheidenen Gemeindebeamten August, von der schwierigen Ehe der Eltern und nähert sich durch diese intensive Beschäftigung mit der Lebensgeschichte des oft missverstandenen Vaters der eigenen Kindheit und Jugend schrittweise an. Der Beginn der Alzheimer-Erkrankung in den 1990er Jahren wird von den Kindern erst spät erkannt, die Familie reagiert in der ersten Zeit völlig hilflos und teilweise aggressiv gegenüber dem väterlichen Elternteil, der auf einmal seinen dritten Socken sucht, dem Sprecher im Fernsehen Kekse anbietet oder immerzu meint, er möchte endlich nachhause, obwohl er in seinem eigenen Bett liegt. In Geigers typisch schnörkelloser Sprache werden die langen Jahre der gemeinsamen Pflege durch Familienmitglieder und einem Heer an slowakischen Pflegerinnen geschildert, die letztendlich in der Übersiedlung des Vaters in das örtliche Pflegeheim münden. Ohne sentimentale Rührseligkeit entstand ein aufrüttelndes und berührendes Buch über eine schwierige Vater-Sohn-Beziehung, die erst durch die Krankheit des Vaters an Intensität und Bedeutung gewonnen hat. Ein überraschend positives Buch über ein durchaus lebenswertes Leben im Angesicht einer schrecklichen unheilbaren Erkrankung, das nichts an seiner Würde und Schönheit eingebüßt hat. Absolut lesenswerte und bereichernde zeitgenössische österreichische Literatur. ---- Quelle: LHW.Lesen.Hören.Wissen (http://www.provinz.bz.it/kulturabteilung/bibliotheken/320.asp); Autor: Michael Patreider; Dem Träger des deutschen Buchpreises, der auch schon in Südtirol gelesen hat, ist mit diesem autobiographischen Werk ein absolutes Highlight in diesem Jahr gelungen. Durch die Offenlegung persönlichster Details aus der eigenen Familiengeschichte nähert er sich dem Thema Altwerden an. Dabei beschreibt er die langsam fortschreitende Alzheimererkrankung seines Vaters in einer literarisch beispiellosen Art, welche der für uns so schrecklich scheinenden Krankheit auch positive Seiten abgewinnt. Gleichzeitig zeigt Arno Geiger auf, dass das Altwerden auch Chancen eines neuen, besseren Kennenlernens der Generationen bietet.


Rezension


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Personen: Geiger, Arno

Schlagwörter: Alter Alzheimerkrankheit Erinnerung Vater-Sohn-Beziehung

Geiger, Arno:
¬Der¬ alte König in seinem Exil / Arno Geiger. - München : Hanser, 2011. - 188 S.
ISBN 978-3-446-23634-9

Zugangsnummer: 1340
Romane, Krimis, Erzählungen und Novellen - Signatur: DR Gei - Buch