Da ist sie wieder - beobachtet mich jetzt schon seit Tagen, gibt sich einmal unschuldig naiv und grinst dann wieder frech. So geht das nicht weiter: "Komm endlich raus, wenn du dich traust!" Was hat es mit diesem blöden Spiegel auf sich? Ist er jetzt mein zweites Ich oder ein Gegenüber? Und wie werde ich ihn endlich los? Was eingangs mit Wut und Verunsicherung beginnt, wächst Schritt für Schritt zu einer Frage, geht über in Neugier, eröffnet ein Gespräch und führt schließlich hinter die Oberfläche der Spiegelungen zu einer geheimnivoll-märchenhaften Begegnung. Am Ende steht ein freudiges Erstaunen. Und ein Tanz. Das Motiv des Spiegels hat sich tief in Mythen und Märchen hineingeschrieben, deutungsoffen hat es dabei sein Geheimnis bewahrt. Auch in dieser Geschichte von Corinna Antelmann - basierend auf ihrem gemeinsam mit Alaxandra Mauritz gedrehten Kurzfilm "Die Doppelgängerin" - wird gezeigt und nicht erklärt. Und so passiert, was passieren muss: Unweigerlich geraten wir, die LeserInnen, in die Rolle der tastend Deutenden. Das Buch, es wird uns selbst zum Spiegel. Aber darum lesen wir ja schließlich auch. Eingangs vielleicht noch, um uns zu zerstreuen, letztlich aber doch, um uns zwischen den Sätzen, in einer Geschichte oder hinter einem Spiegel neu zu sammeln, eins zu werden mit uns selbst. Lukas Vogel setzt die Geschichte in eine expressive Szenerie, spielt mit den Komplementärfarben Rot und Grün und packt fein differenziert so viel nuancierte Emotionalität in seine Bilder, dass der Text sich ganz auf das Handlungsgeschehen beschränken kann. Komm raus, wenn du dich traust? Gehen wir hinein, wenn wir uns trauen!

---

Personen: Antelmann, Corinna Vogl, Lukas