Hoch oben auf dem Baum balanciert Rosie einen langen Ast entlang. Ein großer Hund sieht ihr dabei angestrengt von unten zu und eine schwarze Gans beobachtet alles aus der Ferne. Rosie trägt ein blaues Kleid und kniehohe rote Stiefel. Sie hat ihre roten Haare zu zwei Zöpfen gebunden und sieht damit einer bekannten Kinderbuchheldin aus dem hohen Norden sehr ähnlich. Was Rosie auf dem Baum macht? Sie sitzt entspannt in einer Astgabel, steht auch einmal aufrecht und hält Ausschau, turnt waghalsig im Geäst oder liegt ausgestreckt auf einem Ast – mit einem Buch in der Hand. Unter ihr erstreckt sich eine weitläufige Gartenlandschaft in warmen Herbsttönen. Das saftige Grün des Sommers ist verschwunden und matte rote, orange und gelbe Farben fließen in feinen, manchmal fast transparenten Farbschichten ineinander über. Die sanften Schatten werden im goldhellen Licht länger. Im Wechsel von wässrigen und satten Farbflächen entstehen ganz eigene Lichtverhältnisse und eindrückliche Stimmungen, die viel äußeren und inneren Raum bieten. Die Geschichte von Rosie wird auf der Textebene schlicht und einfach erzählt, mit einem bis zwei, höchstens drei kurzen Sätzen pro Doppelseite. Dazu setzt Isabel Pin atmosphärische Bilder: Doppelseiten, auf denen sich Rosie, ganz im Einklang mit sich selbst, frei in Raum und Zeit bewegt, kontrastieren mit einzelnen szenischen Darstellungen auf weißem Hintergrund. Sie bringen sehr genau die verschiedenen Reaktionen von Erwachsenen und Kindern zum so ungewöhnlichen wie unerwünschten Verhalten des Mädchens ins Bild. Rosie aber kommt trotz strenger Anordnungen, demütigender Verurteilungen, falscher Versprechungen oder bemühtem Verständnis nicht vom Baum herunter: „Weil es hier schön ist.“ Während Pippi Langstrumpf ein Leben mit allen Freiheiten, aber ohne ihre Eltern lebt, wächst Rosie frei und autonom zusammen mit ihren Eltern auf und darf ungeachtet der Widerstände ihrem eigenen Sinn folgen. 2020 heißt Pippi Rosie!

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Personen: Pin, Isabel