Schmid, Hansjörg
"Im Namen Gottes." Theologie und Praxis des Gebets in Christentum und Islam
Buch

Mit diesem Band, der eine Tagung im März 2005 in Rottenburg-Stuttgart dokumentiert, beginnt nicht nur eine neue Buchreihe, sondern auch ein neues Kapitel des interreligiösen Dialogs, insofern das "Theologische Forum Christentum - Islam" zum ersten Mal eine gemeinsame christlich-muslimische Tagung veranstaltete. Das Leitbild dieses Forums enthält folgende Prinzipien: 1. möglichst beiderseitig selbstkritische Debatten zu führen, 2. Deutungen aus anderen Perspektiven zuzulassen, 3. eine solide Kenntnis der Religion des Gesprächspartners aufzuweisen, 4. den hermeneutischen Rahmen der eigenen Verstehenszugänge zu reflektieren und interdisziplinär zu diskutieren, und 5. die Begegnung mit anderen Religionen als entscheidende Lernmöglichkeit zu begreifen (vgl. 12). Auf Grundlage dieser Prinzipien setzte sich das Theologische Forum Christentum - Islam mit dem Gebet auseinander, das für die Begegnung zwischen beiden Religionen zweifellos als Schlüsselphänomen anzusehen ist. Der erste Abschnitt (19-70) behandelt Grundfragen christlichen und muslimischen Betens und versucht, die "Leittheologie" (Kenneth Cragg, 21) der jeweiligen Gebetspraxis zu erschließen. Bezüglich des Islam ist hier auf die Dialektik von "Barmherzigkeit" und "Erhabenheit" Gottes (vgl. 27-29) aufmerksam zu machen, bezüglich des Christentums auf die zentrale Bedeutung der Formel "durch Christus ." (Michael Bongardt, 47). Aufschlussreich ist die Erläuterung der vier islamischen Gebetsformen: sal?t (Pflicht), du'?' (Anrufung), tasbiha (Lobpreis) und dikr (Gedenken) durch Hamideh Mohagheghi (vgl. 58-66). Der zweite Abschnitt (71-123) fragt nach Sinn und Zweck des Bittgebets, dessen zentraler Kern "das ganzheitliche Heil des Menschen" (Elhadi Essabah, 95) ist. Der dritte Abschnitt (125-164) setzt sich mit Gebet und Leiblichkeit auseinander und zeigt, wie sehr islamische Gebetshaltungen und -formen auch die christliche Tradition beeinflusst haben. Im vierten Abschnitt (165-200) geht es um Gebet und religiöse Identität in der säkularen Gesellschaft. Hier werden zum einen unterschiedliche Verläufe von Modernisierungsprozessen in christlich bzw. islamisch geprägten Gesellschaften herausgearbeitet (vgl. Klaus Hock, 177f.), zum anderen werden aber die Chancen einer säkularen Öffentlichkeit auch von islamischer Seite gewürdigt: "Säkular orientierte Gesellschaften bilden die Basis für einen fruchtbaren und respektvollen Austausch und die gegenseitige Anerkennung des jeweils eigenen spirituellen Weges von Angehörigen verschiedener Religionen, wenn sie diese Freiräume schaffen" (Mohammed Heidari, 186). Im fünften Abschnitt (201-244) schließlich wird die entscheidende Frage gestellt, die mehr oder weniger ausdrücklich auch in den vorangegangenen Beiträgen schon vorkam: Gemeinsam beten? Spätestens hier muss die "religionstheologische Katze" aus dem Sack. Martin Bauschke (vgl. 204f.) unterscheidet drei Formen: das "multireligiöse" Beten (nebeneinander), das "interreligiöse" Beten (miteinander) und das "abrahamische" Beten (Kombination beider). Während Bauschke dem interreligiösen Gebet unbefangen gegenübersteht und betont: "Es ist derselbe eine Gott, an den Juden, Christen und Muslime glauben. Gott verbindet und vereint Juden, Christen und Muslime unbeschadet ihrer unterschiedlichen Gottesbegriffe und Gebetsstile" (211), lehnt Friedmann Eißler ein solches - wie er es nennt - "Einheitspostulat der übergeordneten Harmonisierung" (222) ab: "Es gibt keine Phase der Kirchengeschichte, in der ein nichttrinitarisches Gebet denkbar wäre" (216). Welcher Ansatz hier "stimmiger" ist und im interreligiösen Dialog tatsächlich weiterführt, wird allerdings nicht entschieden, sondern dem Urteil der Leserinnen und Leser überlassen, denen durch diesen Band wertvolle Einsichten und wichtige Argumentationsgrundsätze eröffnet werden. Dem "Theologischen Forum Christentum - Islam" ist zu wünschen, dass dieser verheißungsvolle Weg der interreligiösen Auseinandersetzung weiter beschritten wird und zu Frieden und Verständigung beiträgt. *Theologisch-praktisch Quartalschrift* 3/2007 Franz Gmainer-Pranzl


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Personen: Schmid, Hansjörg Renz, Andreas Sperber, Jutta

Schlagwörter: christlich-islamischer Dialog Gebetsformen religiöse Identität

Interessenkreis: RU Sek. II RU Gym Erwachsenenbildung RU BS Jugend Firmkatechese

04.09.02

Schmid, Hansjörg:
"Im Namen Gottes." : Theologie und Praxis des Gebets in Christentum und Islam / Hansjörg Schmid ; Andreas Renz ; Jutta Sperber (Hg.). - Regensburg : F. Pustet, 2006. - 248 S.
ISBN 978-3-7917-1994-8 kart. : 19,95

Zugangsnummer: 2014/0425 - Barcode: 2-1190010-6-00011853-8
Interreligiöses Lernen - Buch