Glattauer, Niki
Flucht
Bilderbuch

Das Thema Flucht hat im Herbst 2015 viele Menschen in Österreich betroffen gemacht und viele über ihre Betroffenheit auch zum Handeln motiviert. Selbstverständlich haben auch Kinder mediale oder persönliche Erfahrungen mit dem Thema gesammelt. Manche wurden und werden in Kindergärten und Schulen mit Kindern konfrontiert, die geflohen sind. Mitunter ist es nicht einfach, die Hintergründe dieser Kinder zu verstehen und zu begreifen, dass Flucht für die Betroffenen eine fundamentale und krisenhafte Änderung in ihrem Leben bedeutet. Kirsten Boie hat schnell reagiert und noch letzten Herbst ein zweisprachiges Bilderbuch mit dem Titel „Bestimmt wird alles gut“ bei Klett Kinderbuch herausgebracht. Sie setzt in ihrem Text auf die kathartische Wirkung von Literatur. Kinder lernen, Verständnis für eine Lebenssituation zu entwickeln und können sich in Figuren und deren Leben einfühlen. Es muss aber nicht immer um Problemverhandlung gehen und es kann im literarischen Diskurs durchaus mit dem Thema gespielt und Motive können auf verschiedene Arten durchgespielt werden. Es geht in Literatur aber auch um Fiktionalität, darum, dass Geschichten neu und anders erzählt werden können oder um Verfremdung, wie Bert Brecht sagte: „Einen Vorgang oder einen Charakter verfremden heißt zunächst einfach, dem Vorgang oder dem Charakter das Selbstverständliche, Einleuchtende zu nehmen und über ihn Staunen und Neugier zu erzeugen [...]“ Des Mittels der Verfremdung bedient sich Niki Glattauer in seinem Bilderbuch mit dem programmatischen Titel „Flucht“. Erzählt wird in erster Linie die Flucht einer Familie übers Meer aus der Perspektive der Katze, die nur mitgenommen wurde, weil sie sieben Leben hat. Die Flucht markiert die Oberfläche des Buches, doch sowohl Text wie Illustrationen erzählen in Rückblenden auch vom Davor, das auf der illustratorischen Ebene eher als Darunter, also unter dem Meeresspiegel fragmentarisch inszeniert wird. Bis zum Ende des Buches bleibt eine diffuse Irritation, erst dann wird klar, dass hier die Fluchtrichtung verschoben ist. Die Menschen fliehen nicht nach, sondern aus Europa, weil ihnen dort die Lebensgrundlage durch eine undefinierte Krise verlorenging. Ob diese Art der Umkehrung und Verfremdung etwas Neues erschließt, bleibt offen, aber Irritation, zumindest bei den vorlesenden Erwachsenen, ist sicher. FOLDER ÖKJB-Preis 2017: Aus der für das Thema ungewöhnlichen Perspektive einer Katze erzählt Niki Glattauer von einer Familie, die mit vielen anderen die Heimat verlässt. Denn dort herrscht Zerstörung, ist kein Leben mehr möglich ohne Nahrung, sauberes Wasser, Strom und Schule. In ihren zarten, leichten Illustrationen macht Verena Hochleitner anschaulich, wie auf der tagelangen Reise in einem kleinen Boot allein auf dem weiten Meer das alte Leben untergeht. Ob es am anderen Ufer ein neues gibt, ist ungewiss.


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Personen: Glattauer, Niki Hochleitner, Verena Glattauer, Daniel

Glattauer, Niki:
Flucht / von Niki Glattauer und Verena Hochleitner. Mit Wassergeistern von Daniel Glattauer jun. - Innsbruck : Tyrolia, 2016. - [16] Bl. : überw. Ill. (farb.) ; 27 cm
ISBN 978-3-7022-3560-4 fest geb. : ca. € 14,95

Zugangsnummer: 00011060 - Barcode: 00011060
Bilderbuch - Signatur: JD;;;Glat - Bilderbuch