Die Prinzessin auf der Erbse
Bilderbuch

(ohne spezielle Altersangabe) Rezension: Hans Christians Andersens Märchenwelten werden seit 170 Jahren ins Bild gesetzt - erst recht zum Jubiläumsjahr 2005 (ohne spezielle Altersangabe) Rezension: Vielleicht ist kaum ein profaner Gegenstand so oft gezeichnet worden wie die Erbse, die die Prinzessin durch Berge von Matratzen und Decken drückt. Und vielleicht ist kaum ein Märchen ein besseres Beispiel dafür, dass man auch die unglaubwürdigste Geschichte für wahr hält, wenn sie nur gut erzählt wird. Oder gut gezeichnet. Oder beides. Wie österreichische Künstler die Märchen Hans Christian Andersens ins Bild gesetzt haben, war ein Thema der Ausstellung "Andersen in Wien" im Wien Museum. Heinrich Lefler etwa lässt in seinen 1897 entstandenen, vom Jugendstil geprägten Illustrationen das Personal des Märchens "Die Prinzessin und der Schweinehirt" in Barock-Roben und -Perücken zu den pikanten Kuss-Spielen antreten. Alfred Kubin war vom Düsteren, Unheimlichen fasziniert. In seiner Illustration des Märchens "Die Nachtigall" hat der Tod Gewicht: Feist und feixend hockt er auf dem Bauch des Kaisers. Der gesichtslose Kaiser, mit wenigen Strichen von schräg hinten gezeichnet, verschwindet fast ganz unter ihm. Beim Betrachten der undatierten Tuschezeichnung würde man keinen Cent mehr darauf wetten, dass es dem Kaiser gelingt, den Tod vom Bett zu stoßen. Als bislang einzige österreichische Illustratorin wurde Lisbeth Zwerger 1990 mit der Hans Christian Andersen Medaille ausgezeichnet. Im vergangenen Jahr schickte sie für die minedition "Die kleine Meerjungfrau" auf ihre Reise in die Menschenwelt. Im selben Verlag ist jetzt Robert Ingpens Illustration des hässlichen Entleins erschienen. Ingpen, Austalier und ebenfalls im Besitz einer Andersen Medaille, vermittelt mit seinen impressionistischen Bildern die Stimmungen der Jahreszeiten, die im Märchen eine tragende Rolle spielen: Im braun-trüben Herbst und blau-kalten Winter friert das Entlein außen wie innen, bevor im grünen Frühling die Hoffnung auf ein Leben als anerkannter Schwan keimt. Leider ist die Verbindung der doppelseitigen Illustrationen mit dem Text nicht geglückt, denn vor dem unruhigen farbigen Hintergrund ist der Text oft schwer lesbar. Da Ingpens Bilder zudem aus der Distanz am besten wirken, sollte man zum Lesen vielleicht zu einem anderen Märchenbuch greifen. Text und Bild säuberlich getrennt hat der cbj-Verlag, der außer dem Entlein noch 51 weitere Märchen Andersens (natürlich auch das mit der Erbse) vorstellt. Das slowakische Ehepaar Kamila Stanclová und Dusan Kállay malt die von Andersen geschilderten Situationen in Pastelltönen aus und betont die melancholische Seite der Märchen, wobei die Zeichnungen manchmal beliebig wirken: So werden "Das hässliche Entlein" und "Der fliegende Koffer" mit denselben, etwas süßlichen Blumengesichtern verziert. Das Buch wirkt gefällig und zeitlos, aber auch ein bisschen langweilig. Mut hat der NP Verlag mit seiner Sammlung von 13 Andersen-Märchen bewiesen: Mit den geraden Satzspiegeln, den Titelbild-Vignetten und den klar abgegrenzten Bildtafeln knüpft sie an alte Bücher an, doch der strenge Rahmen wird mit Illustrationen im Comic-Stil gefüllt. Die 1968 geborene Zeichnerin Kat Menschik greift in den Titelbild-Vignetten jeweils zentrale Gegenstände und Figuren des Märchens auf (ja, die Erbse) und bettet sie in geschwungene Schrift, Ranken und flatternden Bänder ein. Außerdem setzt sie eine jeweils typische Szene für ein Märchen so plakativ ins Bild, dass es eigentlich nur als ironischer Kommentar gedeutet werden kann. Ein weiteres und sicherlich nicht das letzte Kapitel in der Erfolgsgeschichte einer Erbse schlägt Melanie Kemmler auf. Für den Aufbau-Verlag hat sie das Märchen von der Prinzessin auf der Erbse surrealistisch illustriert. Die doppelseitigen Zeichnungen öffnen weite leere Räume, in denen sich der Prinz und seine Eltern verlieren. Die Prinzessinnen, die den Prinzen von der Einsamkeit befreien wollen, haben ihre Besitztümer wie Spielzeugschlösser zu ihren Füßen aufgebaut, doch das ist es nicht, was der traurige junge Mann ersehnt. Lauter kleine Hochszeitspaare umschweben ihn, als er von der Richtigen träumt. Große Fenster und Flügeltüren öffnen den Blick in Sehnsuchtslandschaften und lassen Wolken, Regen und endlich die richtige Prinzessin ins Schloss. Melanie Kemmler hat Seelenbilder ohne Sentimentalität gezeichnet, in die sie die absurden und ironischen Facetten des Märchens mühelos integriert: Auch bei ihr ist die Erbse klein, grün und rund, darf aber am glücklichen Ende unter dem Porträt der Mona Lisa liegen. Das vermeintlich Profane wird Kunst. So durchdringen sich Welten. Andersens Welten.

Altersempfehlung: ab 4 Jahren.


Dieses Medium ist voraussichtlich bis zum 13.06.2024 ausgeliehen. Gerne können Sie es vormerken.

Personen: Andersen, Hans Ch. Kemmler, Melanie

Schlagwörter: Bilderbuch

¬Die¬ Prinzessin auf der Erbse / Hans Christian Andersen. Mit Ill. von Melanie Kemmler. - Berlin : Aufbau-Verl., 2005. - [12] Bl. : überw. Ill. (farb.) ; 29,5 cm. - [Aus dem Dän. von Eva-Maria Blühm]
ISBN 978-3-351-04064-2 fest geb. : EUR 15,00

Zugangsnummer: 2013/0959 - Barcode: 2-0052804-5-00008138-2
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