Lebenserinnerungen der Schauspielerin Salka Viertel, die in ihrer romanhaften Autobiografie ein Stück europäischer Kultur-, Film- und Theatergeschichte aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lebendig werden lässt. (BI) Schon der samtrote, weiche Einband mit den filigranen Blumenornamenten, das seidene Lesebändchen und die elegante Schrift in Weinrot oder Schwarz auf chamoisfarbenem Papier lassen eine besondere Autobiografie erwarten. Tatsächlich sind die mehr als 450 Seiten umfassenden Memoiren, denen noch ein umfangreiches Nachwort mit Handapparat angefügt wurde, ein beeindruckendes, berührendes und faszinierendes Leseerlebnis. Salka Viertels Lebenserinnerungen gelten als Quellentext der Exilforschung des 20. Jahrhunderts. Das Original erschien 1969 in New York unter dem Titel "The Kindness of Strangers". In seinem Epilog dazu bezeichnet der Literaturwissenschaftler Michael Lentz die Lebenserinnerungen als eine besondere Form der Dokumentarprosa: Auf der einen Erzählebene erfährt man Salkas innere Biografie: Das sind ihre persönlichen Erinnerungen an die behütete Kindheit und Jugend im altösterreichischen Galizien, an ihren Weg als Schauspielerin im deutschsprachigen Raum in den 1920er Jahren, an die Ehe mit dem Wiener Künstler Berthold Viertel, ans amerikanische Exil bis hin zu ihrer lang ersehnten, späten Rückkehr nach Europa, in die Schweiz, wo sie auch stirbt. Parallel dazu hält sie "Erinnerungen an ein Leben mit Künstlern des 20. Jahrhunderts" fest - so der Untertitel des Buches -, in denen nicht nur die europäische Kultur-, Film- und Theaterszene in den 1920er Jahren lebendig werden. Bemerkenswert auch ihre Beschreibungen des kalifornischen Exils mit interessanten Einblicken in die Welt der legendären Kinostars, Produzenten, der emigrierten Literaten, Wissenschaftler und Künstler, wobei die Freundschaft zu Greta Garbo einen besonderen Stellenwert einnimmt. Am Schluss dann endlich die Rückkehr nach Europa, wo Salka in der Schweiz ihr Enkelkind mit folgenden Schlussworten in die Arme schließt: "Eine Riesenwoge von Liebe und Zärtlichkeit überflutete mein unbelehrbares Herz". Diese mitreißend warmherzigen und klug formulierten Memoiren sind es wert, gelesen zu werden, sie sind nicht nur ein Gewinn an Erfahrungswissen und Zeitgeschichte, sondern auch an Mitmenschlichkeit, Gastfreundschaft und Toleranz in turbulenten Zeiten. *bn* Jutta Kleedorfer

Personen: Viertel, Salka Degner, Helmut Lentz, Michael