Bittere Lebenserfahrungen können nur durch Worte und Liebe geheilt werden, erfahren Igor, ein ehemaliger KZ-Insasse, und Lucie, die als Kind von ihrem Vater missbraucht wurde. (DR) Der 65-jährige Igor, slowenischer Intellektueller aus Triest, erhält einen Brief einer ihm unbekannten französischen Psychotherapeutin. Igor, der unschwer als der Autor Boris Pahor erkennbar ist, glaubt in ihr eine Leidensgenossin, ein Faschismusopfer, zu finden. Bei der ersten Begegnung in Paris merkt er, dass die 30-jährige Lucie dafür viel zu jung ist. Doch auch sie ist schwer traumatisiert. Über der langsam wachsenden Liebe beider schwebt das Leiden an der eigenen Vergangenheit - trotz inniger Briefe und vorsichtig-zärtlicher Begegnungen in Paris, Genf und in den Vogesen, Lucies Heimat und dem Ort ihres Missbrauchs durch den eigenen Vater. Ihre Liebe lebt von Worten: In tiefen Gesprächen tasten sie die Lebens- und Leidensgeschichten des jeweils anderen behutsam ab. Für beide werden die gemeinsame Lektüre, das Gespräch über Literatur und vor allem ihre Liebe sinnstiftend zu einer neuen Heimat, zu einer Wiege der Welt. "Man darf nicht alles aus dem Blickpunkt des Todes beurteilen ." (S. 72). Der international renommierte und oft mit Jorge Semprún und Imre Kertész verglichene Boris Pahor, geboren 1913 in Triest, ist geprägt von den europäischen Konflikten des 20. Jahrhunderts. Als Italiener und Angehöriger der slowenischen Minderheit in Triest beschreibt er das Dasein als Flüchtling in der eigenen Heimat. Sein reflektierender Schreibstil mit zahlreichen Bezügen zur europäischen Literatur, zu Dante, Celan, Rilke und vielen anderen, zwingt zu langsamem Lesen und lädt zum Miterleben ein. *bn* Wolfgang Moser

Personen: Pahor, Boris