Vom plötzlichen Verschwinden eines Dissidenten und dem Nachspüren einer geheimnisumrankten Vaterfigur. (DR) Hisham Matar schildert in dieser "Geschichte eines Verschwindens" die Verschleppung eines arabischen Dissidenten aus der Perspektive von dessen ahnungslosen Sohn. In ruhigem Erzählton beschreibt er das Schicksal jener, die zurückbleiben, jener, auf deren Schultern sich der Schock und Schmerz angesichts des plötzlichen Verschwindens eines nahestehenden Menschen wie ein schwerer Mantel legt. Nuri ist 14, als sein Vater, Kamal Pascha el-Alfi, einst ein enger Berater des libyschen Königs und bekannter Dissident, aus einer Schweizer Wohnung entführt wird. Nie hat er ihm von seinen Plänen, von seiner Arbeit und seiner Vergangenheit erzählt. Es gibt viele Leerstellen im Leben der Eltern, die den Jungen umtreiben. Man kann diesen stillen Roman gleichsam als Versuch einer Annäherung an eine geheimnisumrankte, nicht fassbare Vaterfigur lesen. Dieser tragische Bruch in seinem Leben wird Nuri nicht loslassen. Der Gedanke an den Vater, an dessen Verbleib, und die Schuldgefühle wegen seiner hilflosen Untätigkeit begleiten ihn beim Erwachsenwerden: "Nach und nach ergriff das Gefühl von mir Besitz, meinen Vater vernachlässigt zu haben. Ich sah ihn wartend in einem fensterlosen Zimmer sitzen und steigerte mich in die Frage hinein, wie ich ihn finden könnte." (S. 147) Aber wie ihm helfen, wo ihn finden? Schließlich spürt Nuri an den Lebensorten seines Vaters dem Verschwundenen nach, um ihm nah zu sein. Er trifft sich mit der Frau, die sein Vater wirklich geliebt zu haben scheint, jener Frau, die die Entführung mitansehen musste, und findet ein kleines Stück Frieden. Ein wichtiger Roman mit autobiografischem Hintergrund - Matars Vater wurde ebenso wie sein Onkel und seine Vettern von Gaddafis Häschern verschleppt -, politisch aktuell und allen Bibliotheken zu empfehlen. *bn* Cornelia Gstöttinger

Personen: Löcher-Lawrence, Werner Matar, Hisham