Ein erfrischender literarischer Beitrag zu Kleists Aktualität. (DR) Kurz vor Kleists 200. Todesjahr imaginiert Miriam Sachs folgende unerhörte Begebenheit: Eines Tages sitzt Kleist in der Küche einer Literaturstudentin - und zwar nicht in Form ihrer Seminarlektüre, sondern höchstpersönlich. Unangestrengt entwirft diese moderne Novelle eine konkrete, lebendige und persönliche Auseinandersetzung mit einem Teil von Kleists Werk und seiner Person. Ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit und vermeintlich exklusiver Bekannt- und Kennerschaft. Anders als beim Lesen von Dagmar Leupolds "Die Helligkeit der Nacht" taucht die Frage einer Angemessenheit des Tons, den Kleist anschlägt, nicht auf. Was er während seiner Zeit als unverhoffter Mitbewohner schreibt, fällt der Ich-Erzählerin zwar in die Hände, erscheint aber wohlweislich nicht einmal zwischen den Zeilen. Die Sicht auf die überlieferten Briefe ist hinsichtlich der Erziehungsversuche, die er seiner Verlobten zuteil werden lässt, ziemlich kritisch. Zumal für die Literaturstudentin im alltäglichen Zusammenleben mit Kleist eine klassische Mann-Frau-Beziehungsdynamik nicht ausbleibt. Einen erfrischenden Blick wirft Miriam Sachs auf Kleists Stücke und Figuren. Quer zu Käthchens Rezeption als harmloses und gefälliges Frauenideal benennt sie deren Extremität direkt mit "durchgeknallt". Zu guter Letzt, als die Literaturstudentin selbst völlig unwissentlich schwanger wird und Kleist als Vater in Frage kommt, liegt der Verdacht doppelt nahe, dass auch sie sich in eine literarische Figur (zurück)verwandelt hat. *bn* Manuela Schwärzler

Personen: Sachs, Miriam