Raabe, Wilhelm
Stopfkuchen eine See- und Mordgeschichte
Buch

Abgründiger Kriminalroman, der die latente Gewalt, die hinter Biedersinn und Gemütlichkeit am Stammtisch lauert, offenbart. (DR) Deutschland gegen Ende des 19. Jahrhunderts: Der in Südafrika zu Wohlstand gekommene Eduard kehrt für einen Besuch in seine Heimat zurück. Dort, in der tiefsten deutschen Provinz, trifft er seinen "dicksten" Jugendfreund Heinrich, genannt "Stopfkuchen". Bei dieser Begegnung gelingt es ihm nicht, sich so in Szene zu setzen, wie er es sich vorgestellt hat. Stopfkuchen lässt ihn nämlich kaum zu Wort kommen. Er konfrontiert den Jugendfreund mit Erinnerungen an Hänseleien und Quälereien, an denen auch Eduard beteiligt war, der sich daran aber nicht mehr recht erinnern kann. Und noch ein düsteres Kapitel aus der Vergangenheit taucht auf: Seinerzeit wurde im Dorf der brutale Bauer Quakatz, den man für den Mörder eines Viehhändlers hielt, geächtet, worunter seine Tochter doppelt zu leiden hatte, da der Vater seine Wut an ihr ausließ. Stopfkuchen, mittlerweile Ehemann der Valentine Quakatz, behauptet nun gegenüber seinem Freund, den wahren Mörder zu kennen. Dieses Thema wird zunehmend spannender umkreist, wobei der Kriminalfall an sich nicht das Entscheidende ist, sondern das, was sich um ihn herum an Bosheit und beiläufig ausgeübter, auch psychischer, Gewalt offenbart. Die Erzählung, die in verschiedene Zeitebenen eingefügt ist, verlangt vom Leser Durchhaltevermögen, welches aber durch eine wirklich erstaunliche Leseerfahrung belohnt wird. Der lange Zeit als betulich und altmodisch abgestempelte Autor erweist sich als moderner Erzähler, der das Erzählte immer wieder reflektiert. Seine Charaktere sind vielschichtig und nicht determiniert, was auch für die Aussage des Romans gilt. Am Schluss ist man sich nicht mehr sicher, wer der wirkliche Spießer ist: der weitgereiste Eduard oder der nie aus dem Dorf hinausgekommene Stopfkuchen? Leserinnen und Leser, die sich darauf einlassen, einen Klassiker wiederzuentdecken, werden an dem Roman Gefallen finden. Sie befinden sich dabei in guter Gesellschaft moderner Autoren wie zum Beispiel Arno Geiger, der sich eingehend mit Raabe auseinandergesetzt und der vorliegenden Ausgabe ein aufschlussreiches Nachwort beigesteuert hat. *bn* Ingrid Kainzner

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Personen: Geiger, Arno Raabe, Wilhelm

Raabe, Wilhelm:
Stopfkuchen : eine See- und Mordgeschichte / Wilhelm Raabe. Nachw. von Arno Geiger. - Zürich : Manesse, 2010. - 393 S. ; 15,5 cm
ISBN 978-3-7175-2214-0 fest geb. : ca. ? 20,60

Zugangsnummer: 2022/1180
Romane, Erzählungen und Novellen - Signatur: DR Raabe - Buch