Berührende Lausbubengeschichten aus einem mährischen Waisenhaus um 1950 und eine kindliche Sicht auf die politische Situation in der damaligen Tschechoslowakei. (DR) Der siebenjährige Ben lebt in Südmähren, nahe der österreichischen Grenze. Eines Abends, als er wie immer zu spät nach Hause kommt, schimpft seine alleinerziehende Mutter nicht, sondern ruft ihm nur "Lauf weg!" zu. Was in diesem Augenblick weder er noch seine ältere Schwester verstehen, wird den Kindern - und mit ihnen den LeserInnen - erst mit der Zeit bewusst: Als Fluchthelferin wird die Mutter für lange Jahre eingekerkert. Im Waisenhaus trifft Ben auf andere Kinder, denen der Zweite Weltkrieg und die Machtübernahme der Kommunisten im Jahre 1948 Mütter und Väter raubten. Dennoch verleben er und seine Freunde recht unbeschwerte Jahre, gehen auf gefährliche Erkundungstouren, spielen Streiche und erleben Freundschaften, erleiden aber auch Heimweh, Entbehrungen und Züchtigungen. In Schule und Nachbarschaft sind sie Kinder zweiter Klasse. Die politischen Umwälzungen dieser Zeit sind nur vage, aus kindlich-naiver Perspektive zu erkennen. Gegen Ende des Buches wird die Lehrerin mit "Genossin" angesprochen; bei einer Schulfeier ist die Internationale zu hören (währenddessen sich die Kinder nicht kratzen dürfen, schon gar nicht am Gesäß!); der Limonadenfabrikant, dem die Heimkinder einige Flaschen stehlen, wird enteignet, bevor er sich bei der Heimleiterin beschweren kann; auch das Gerücht von Hinrichtungen geht um. Das Buch besteht aus 26 lose zusammenhängenden Erlebnissen aus der Sicht des kleinen Ben. Es sind Episoden, die in Sprache, Stil und Aufbau kindliche Weltsicht, Tragikomik und dennoch Lebensfreude erkennen lassen. Edgar Dutka, geboren 1941, ist Regisseur von Zeichentrickfilmen und preisgekrönter Prosaautor. Er schrieb dieses Buch auf der Basis eigener Erlebnisse schon in den 1960er Jahren, konnte den Text aber erst nach der Wende veröffentlichen. *bn* Wolfgang Moser

Personen: Dutka, Edgar Hansen-Löve, Julia