Ein außergewöhnliches Bilderbuch, das auf Text- und Bildebene mit Märchenmaterial spielt. (ab 6) (JD) "Wenn ich der Jäger wäre…", hebt das erzählende Ich an und entspinnt einen märchenhaften Dialog mit der sich skeptisch gegen leichthin formulierte Märchenvarianten auflehnenden Ottinka Taube. Die Illustratorin Stefanie Harjes greift diesen von Karla Schneider formulierten Dialog auf und verortet ihn: In einem Krankenhauszimmer nutzen zwei Kinder das Märchenmaterial, um die Begrenztheit ihres Umfeldes zu durchbrechen und Durchlässe in die Welt der Phantasie und Vorstellung zu schaffen. Das ohnehin nur angedeutete Raumkonzept löst sich auf, es entstehen Kulissen, Türen, Durchlässe - Spielorte, an denen die Kinder ihre im Dialog entworfenen Gedankengänge erproben können. Sie schlüpfen dafür in Masken und Rollen, nehmen die Existenz der einzelnen Märchenfiguren an, während sie in ihrem Dialog Möglichkeiten entspinnen, wie es hätte anders laufen können. Die Möglichkeitsform jedoch, von Stefanie Harjes in einem kraftvollen Mix aus Zeichnung, Malerei, Stempelschrift und Collage umgesetzt, hat noch eine weitere Dimension - haben Umdeutungen von Realitäten (und seien es fiktionale) in einem Krankenzimmer doch ihre ganz eigene Bewandtnis. Eine durch die Bilder schwebende, schwarze, geflügelte Figur mag Engel oder Todesbotin sein; wie in Bildern von Marc Chagall gibt sie Trost und weist doch voraus auf das Unbestimmt-Bedrohliche. "Das wäre böse ausgegangen", stellt Ottinka Taube auf der Ebene des Märchendialogs verbleibend fest. Die Unmöglichkeit des Zusammenlebens von Wölfen und Geißlein jedoch baut auf berührende Weise dem eigenen Trennungsschmerz vor. Ein außergewöhnliches Bilderbuch. Sehr zu empfehlen ab 6 Jahren.

---

---

Personen: Schneider, Karla Harjes, Stefanie

Schlagwörter: Antolin