Wang, Lulu
Das Seerosenspiel
Buch: Dichtung

Denken wir an die Zeit der sechziger und siebziger Jahre, dann fallen uns sofort die Hippies ein, die revoltierenden Studenten, die sich befreienden Frauen und nicht zuletzt der große wirtschaftliche Aufschwung in den westlichen Ländern. Vielleicht assoziieren wir noch den Sozialismus, den Ostblock, in dem sich das Proletariat stark zu machen versuchte und unermüdlich daran arbeitete, von den Westmächten endlich ernst genommen zu werden. Vielleicht reichen unsere Gedanken in dem Zusammenhang bis nach Russland oder Bulgarien. Doch wie sah es ein Stückchen weiter aus? Das wird nur dem Spezialisten sofort einfallen oder dem, der immer schon ein besonderes Interesse für das Reich der Mitte zeigte, auch wenn der Name Mao Zedong sicher jedem ein Begriff ist. China. Lulu Wang führt uns mit ihren Kindheitserinnerungen, die sie in eine fesselnde fiktive Geschichte einbettet, nach Peking, mitten hinein in die Schrecken der Kulturrevolution, die das tausendjährige Kaiserreich in Null Komma nichts plattwalzte und in eine fatalistische Diktatur stürzte, die an den Stalinismus oder an das Terrorregime Sadam Husseins erinnert. Umerziehungslager, Strafen, Gewalt. Verfälschung der Geschichte Chinas zugunsten der Diktatur, Abtransport der Intellektuellen und Kastendenken. Wer sich bislang nicht näher mit diesem Teil der Geschichte Chinas beschäftigt hat, wird erschüttert sein, wieviele Tragödien sich während des haarsträubenden Mao-Kults ereigneten. Familien wurden gnadenlos auseinandergerissen, die Kinder in Heime gesteckt und ihre studierten Eltern auf die Felder gebracht, damit sie lernten, richtige Proletarier zu werden. "Wer an der Richtigkeit von Maos Worten zweifelt, wird von den kommunistischen Messern zu Hackfleisch gemacht...Steuermann Mao ist die Sonne. Ohne ihn verwelken die Blumen...Die rote Laterne zeigt uns den Weg zum kommunistischen Paradies...Zum Fahren brauchst du den Kompaß, zum Getreideanbau brauchst du die Sonne, zum Leben brauchst du den Vorsitzenden Mao..." Zwölf jahre alt ist Lian, als man ihre Eltern abtransportiert und in ein Lager steckt. Sie erlebt Hunger und Ausgrenzung wegen einer schrecklichen psychosomatischen Krankheit im Kinderheim, bis sie von ihrer Mutter ins Lager geholt wird, wo die aus ganz China zusamengepferchten Doktoren und Professoren die Erlaubnis erhalten, sie zu unterrichten. Später, nach ihrer Freilassung, lernt sie in der Schule Kim kennen, eine Angehörige der dritten Kaste, mit der sie eine leidenschaftliche Freundschaft verbindet und die sie aus ihrem niederen Dasein herauszuholen versucht. Hier werden die Widersprüche dieses radikalen Systems besonders deutlich. Auf der einen Seite wird das Proletariat haltlos glorifiziert, während andererseits die Bauern der dritten Kaste weiterhin gnadenlos in den Dreck getreten werden. Wir erleben das Heranwachsen eines hochsensiblen Mädchens mitsamt seiner persönlichen Probleme, die die Pubertät mit sich bringt vor dem Hintergrund einer dunklen Zeit, die alles noch unendlich schwerer macht. Die Schritte knallen über das Pflaster. Ding, Ding, Ding, kollern die Glasmurmeln eines Teddys über den Betonfußboden. Ruff, donnert das Mehl der Mühle in den Sack, Lulu Wangs sprühender Stil spiegelt die innere Rebellion, den heimlichen Aufruhr und den unbeugsamen Lebenswillen der Protagonisten wider und hält den Leser von der ersten bis zur letzten Seite fest. --Daphne Großmann -- Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels. Kurzbeschreibung Als Zwölfjährige wird Lian mit ihrer Mutter, einer Geschichtsprofessorin, in ein Umerziehungslager gesteckt. Es ist das Jahr 1972, die Kulturrevolution in China befindet sich auf ihrem Höhepunkt. Lian beobachtet mit Entsetzen das Leid und die Demütigungen, die die Gefangenen dort erfahren. Sie zieht sich in ihre eigene Welt zurück, eine Welt der Phantasie, in der sie den Fröschen und Libellen eines nahegelegenen Teiches Vorträge über ihre Erlebnisse hält. Der autobiographische Roman einer Autorin, die China mit 25 Jahren verließ, heute in den Niederlanden lebt und hier die Erlebnisse aus ihrer Kindheit verarbeitet hat.


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Personen: Wang, Lulu

Standort: Zell am See

Schlagwörter: Geschichte 20. Jahrhundert China Weibliche Jugend autobiographisch Kinderarbeit Mädchen Arbeitslager Geschichte 1972 Kulturrevolution

Interessenkreis: I Entwicklungs-, Bildungs-, Erziehungsromane, Kindheit u. Jugend

DR Romane, Erzählungen WANG

Wang, Lulu:
¬Das¬ Seerosenspiel : autobiographischer Roman / Lulu Wang. - 3. Aufl. - München : List, 1997. - 559 S. ; 22 cm
Einheitssacht.: Het lelietheater, Een jeugd in China. - Aus d. Niederländ. von Marlene Müller-Haas
ISBN 978-3-471-79159-2 fest geb. : DM 44,-

Zugangsnummer: 0004711001 - Barcode: 2-0000000-8-01046137-2
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